Mit etwas Wohlwollen lassen sich Foils als Erfindung des Rades auf dem Wasser sehen: Effizienter und schneller als jeder Gleiter – gleiche Geschwindigkeiten können mit viel weniger Energie erreicht werden. Die gigantischen 50-Fuß-Foil-Katamarane der SailGP-Klasse erreichen bereits bei sieben bis neun Knoten Wind einen Topspeed von 32 Knoten (59 km/h) – das Vierfache der Windgeschwindigkeit. Als Windsurfer kann man mit einem Freerace-Foil-Set ebenfalls bei etwa 15 Knoten Wind bereits die 40-km/h-Marke knacken. Mit normalem Finnen-Freeride-Material kämpft man in diesem Windbereich noch ums Gleiten. Doch egal ob beim Hochsee-Hightech für Millionen – so viel kann in der SailGP schon mal allein ein Foil-Set kosten – oder mit einem Alu-Foil im normalen Freeraceboard: Vor den Gesetzen der Physik sind grundsätzlich alle gleich.
Windsurf-Foil – das magische Gleichgewicht
Ein Foil-Windsurfer wirkt – von der Seite gesehen – wie eine optische Täuschung. Board, Surfer und Rigg balancieren auf dem Foil-Mast, der gefühlt viel zu weit hinten ins Wasser ragt: Warum kippt das nicht einfach alles nach vorne um? Der scheinbare Trick basiert auf zwei Komponenten: Zum einen konzentriert sich das Gewicht von Surfer, Rigg und Board tatsächlich weiter hinten, als der optische Eindruck glauben lässt, nämlich knapp hinter den vorderen Fußschlaufen. Genau darunter trägt der – vom Foil-Mast nach vorne versetzte – Frontflügel die gesamte Last durch seinen dynamischen Auftrieb (Grafik, Seite 25). Ebenfalls unsichtbar verrichtet der zweite Flügel seine Aufgabe weit hinter dem Board unter Wasser. Der Heckflügel, auch als Stabilizer bezeichnet, zieht durch seinen Anstellwinkel beständig nach unten und verhindert, dass der Segelschub den Bug ins Wasser drückt. Ein überaus filigranes Gleichgewicht, das ständige, feinste Gewichtsverlagerungen erfordert.
Steigt der Bug, pendelt der Oberkörper zum Ausgleich leicht nach vorne und umgekehrt. Mit zunehmender Übung werden die Ausschläge kleiner und der Flug immer stabiler, von außen sind die Belastungsänderungen dann nicht mehr zu sehen. Windsurf- und Wing-Foilen sind die günstigsten, aber vergleichsweise auch technisch simpelsten Formen des Foilens. Den Trimm in Längsachse übernehmen in anderen Foil-Klassen ausgeklügelte Konstruktionen mit beweglichen, einstellbaren Foils.
Nix ist fix – so funktioniert die Motte
Wie die Nadel eines Plattenspielers tastet der beweglich gelagerte Fühler am Bug einer „Moth“ die Wasseroberfläche ab (Bild oben). Er registriert dabei die leisen Passagen im nahezu glatten Wasser ebenso wie das Crescendo, wenn die Motte bei Fullspeed über größere Kabbelwellen fliegt. Jeder Ausschlag wird über ein verwinkeltes Stangensystem zum Haupt-Foil geleitet. Hinsichtlich der Flughöhe gibt der Taster damit den Ton an. Wie bei einem Flugzeug ist der hintere Teil des Hauptflügels als bewegliche Klappe ausgelegt, die vom Gestänge permanent angelenkt wird.
Steigt das Boot, wird der Anstellwinkel automatisch verringert und damit der Auftrieb kleiner, bis das Foil knapp unter der Wasseroberfläche sogar auf Abtrieb programmiert ist. Keine Chance also auf einen spontanen Delfinsprung aus dem Wasser, den Windsurf-Foiler gerne zelebrieren, wenn sich das Foil mit bis zum Auftauchen vollem Auftrieb in die Luft katapultiert. „Die Range zwischen maximalem Auftrieb bis zu sogar Abtrieb lässt sich je nach Bedingungen vor dem Start einstellen, und bei richtiger Einstellung werden solche Dinge verhindert“, erklärt Motten-Segler Max Gasser aus der YACHT-Redaktion.
Auch der Heckflügel der Motte ist einstellbar
„Die Mechanik am hinteren Flügel ist deutlich simpler gemacht. Am hinteren Foil ist kein beweglicher „Flap“ wie am Hauptflügel, sondern du kannst durch Drehen an der Pinne das Ruder mit dem fest angebrachten Ruder-Foil kippen. Mit fünf bis zehn Umdrehungen, je nach eingebautem Gewinde, lässt sich der Anströmwinkel des Heckflügels sehr fein einstellen. Dadurch fliegt der Bug höher oder tiefer, je nach Kurs.“
Motten-Segler versuchen dabei, insgesamt so hoch wie möglich zu fliegen, denn „der Flug wird stabiler, und der Widerstand wird geringer, weil das Profil (Red.: des Foil-Masts) unten dünner ist und weniger Fläche im Wasser“, ergänzt Max. Die verstellbare Länge des Fühlers ermöglicht dabei, die für verschiedene Bedingungen jeweils optimale Flughöhe einzustellen.
Gegen so viele Stellschrauben wirkt ein Windsurf-Set, das ausschließlich durch Gewichtsverlagerung kontrolliert wird, wie ein Laufrad neben einem MTB mit elektrischer Schaltung. Zum Trost kann man ausrechnen, wie viele Windsurf-Tage (inklusive Material) mit dem Preis einer Motte – Neupreis ab etwa 30.000 Euro – finanzierbar sind. Passive Beifahrer sind Motten-Segler trotz so viel technischer Unterstützung aber ganz sicher nicht, die Klasse zählt zu den anspruchsvollsten Foil-Booten.
SailGP bald auch mit „Windsurf-Foils“?
In der unangefochtenen Formel-1-Klasse des Segelns werden Probleme gelöst, die wir Windsurfer gerne hätten. Die Foil-Katamarane der F-50-Klasse experimentieren aktuell mit T-Foils, weil man wegen Kavitation (Bildung von Dampfblasen entlang des Profils) mit herkömmlichen J-Foils mit der 100-km/h-Marke hadert. Statt aus Carbon laminiert, werden Foils aus Titan gefräst, womit auch in der Moth-Class bereits experimentiert wird. Bei 99,94 steht aktuell der höchste gemessene Topspeed eines F-50-Foil-Katamarans, und mit T-Foils sollen bald sogar 110 km/h möglich sein. Damit rückt auch der absolute Segel-Speed-Rekord der Vestas Sailrocket 2 von 65,45 Knoten (121 km/h) ein Stückchen näher. Weil die Rennkatamarane komplett frei auf den Foils fliegen, werden die Anstellwinkel der Heckflügel von einem Crewmitglied als Fulltime-Job im Sekundentakt perfekt eingestellt. Dafür haben Einhand-Weltumfoiler wie Boris Herrmann keine Hand frei.
Imoca Open 60: Foil-Flug einmal um den Globus
Bei der Vendée Globe, dem Einhand-Segel-Rennen um die Welt, sitzen er und seine Mitstreiter in Schiffen, bei denen man das Gefühl haben könnte, man sei im Cockpit einer DC-10 auf dem Wasser gelandet. Vom Kommandostand im Rumpf wird navigiert, es werden die Segel bedient, Kurse und Einstellungen kalkuliert. Die schiere Menge an Tauen und technischen Geräten, die hier zusammenlaufen, kontrollieren aber den Trimm des Bootes nicht im selben Maß, wie er mit den Foil-Winkeln auf den F50-Katamaranen permanent gesteuert wird. Die hier eingesetzte Foil-Form hat eine selbststabilisierende Wirkung.
Bei diesen Schiffen der Imoca-60-Fuß-Klasse wie der “Malizia - Seaexplorer” von Boris Herrmann (oben) kommen sogenannte L- oder auch J-Foils ins Spiel. Diese gebogenen Foils liften das Schiff niemals komplett aus dem Wasser, weil durch die Foil-Form der Auftrieb automatisch abnimmt, je höher das Foil sich aus dem Wasser hebt. Dadurch sinkt das Schiff wieder, was wiederum den Auftrieb erhöht – und das Foil-Gleichgewicht pendelt sich so ziemlich stabil ein. Der Rumpf befindet sich also eher in einer Art „Hyper-Gleitzustand“ auf minimaler Gleitfläche als in einem völlig freien Foil-Flug. Dementsprechend sind an der Ruderanlage auch keine weiteren Foils zur Stabilisierung vorgesehen.
J- oder L-Foils lassen die Imocas fliegen
Ganz sorgenfrei schlafen können die Einhandsegler aber auch beim autonomen Foilen nicht. „Im schlimmsten Fall kann so ein Schiff auch nach vorne kippen“, weiß Max Gasser vom Magazin YACHT. „Bei der letzten Vendée Globe ist einer der Imoca-60-Fuß-Foiler von einer Welle in die nächste Welle reingestochen. Dabei kam es zu einer „reverse load“-Belastung auf das Foil, sodass das Foil sogar negativ gearbeitet und den Bug noch weiter in die Welle reingezogen hat. Das Schiff ist dann in der Mitte auseinandergebrochen.“ Rund sechs Millionen Euro lassen sich bei so einem Nose Dive versenken. Kein Wunder, dass auch die besten Profi-Segler wie Boris Herrmann oder Erik Heil ab und an auf ein Wing-Foil-Board steigen. Zusammen mit dem Windsurf-Foil ist das die Foil-Klasse, bei der man einfach mal die Grenzen überschreiten kann – weil man im Falle eines Falles die billigsten Abflüge macht.