Geht‘s noch?Windige Geschichten

Tommy Brandner

 · 04.09.2023

Geht‘s noch?: Windige GeschichtenFoto: Bernhard Förth
Was wir schon immer über den Wind wissen wollten: alternative Fakten, Fake News, Mythen.

WIND-SURFEN – das sagt dochschon alles. Unser Sport besteht aus zwei Teilen: Wind und Surfen. Jede Komponente einzeln bringt uns gar nichts. Wind ohne Surfen, Surfen ohne Wind? Da können wir gleich zu Hause auf dem Sofa bleiben.

Im Grunde genommen ist es doch wie bei Bacardi Cola und Spaghetti Napoli, ohne Bacardi oder Napoli taugt es nichts. Beides gehört zusammen – und wie sagte schon Lothar Matthäus? Die Summe ist mehr als das Ganze! Doch diese Formel bröckelt und Loddars Kernsatz kommt ins Wanken, denn italienische Fachspezialisten des “Centro Ricerca di Vento” in Torbole haben jetzt herausgefunden, dass es durchaus eine Gewichtung der Bestandteile Wind und Surfen gibt. Nach zahllosen, erfolglosen Versuchsreihen ohne Wind halten sie es nämlich für eindeutig erwiesen, dass Wind der wichtigere Teil für das Ausüben des Windsurfing-Sports ist. Na also – oder für Lothars Lateinschüler: Quod errat Demosthenes.

Nachdem das nun geklärt ist, bleibt die Frage: Woher kommt eigentlich der Wind? Wenn da nun einer mit „von Westen” antwortet, ist das nicht nur eine ziemlich einfältige Erklärung, sondern auch eine falsche. Denn jeder weiß, dass es zum Beispiel bei Südwind strikt von Süden her weht. Mit Woher-kommt-der-Wind ist aber eigentlich gemeint, wie der Wind entsteht. Nun, da gibt es dieses alte, mittlerweile überholte Narrativ, dass große Bäume durchs Hin-und-Her-Wackeln Wind erzeugen, was auch angeblich bei starkem Wind immer wieder beobachtet werden kann. Doch das ist natürlich lächerlich, völliger Blödsinn. Bäume, die wackeln, so ein Quatsch… viel näher dran ist eine Gruppe alternativ schrägdenkender, investigativer Hobbygeleerter, die folgende Theorie vertritt: Auffällig ist doch, dass überall dort, wo es kräftigen Wind gibt, viele große Windkraftanlagen mit mächtigen Rotoren stehen, müsst ihr mal aufpassen. Und dann lasst euch mal die einzelnen Teile des zusammengesetzten Substantivs Wind-Kraft-Anlagen auf der Zunge zergehen. Da steckt doch mehr dahinter und da ist schon alles drin, was es braucht, um damit Wind zu machen, oder? Umsonst heißen die ja wohl nicht so.

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Dem widerspricht nun wieder die althergebrachte Wissenschaft. Meteorologen, MeteorologInnen, Meteorolog:innen und Meteorolügende behaupten, dass Wind durch Druckunterschiede in der Atmosphäre entsteht – und die Luft demnach immer vom hohen zum niedrigen Druck hinweht. Da wollen wir doch mal ein einfaches Experiment machen und sehen, ob das auch so stimmt. Also: Nehmt ein Fahrrad, am besten das von einem Freund, und pumpt einen Reifen, mit allem, was ihr habt, auf. Wenn der dann steinhart ist, legt ihr die Pumpe beiseite, greift zu einem zuvor sauber geschliffenen, spitzen Messer und stecht damit herzhaft in den Pneu. Wenn nun die Luft wie verrückt ins Freie zischt, könnte was dran sein, an der Hoch-Tief-Druck-Theorie. Übrigens, wegen diesem Messer – klar, man könnte auch einfach das Ventil rausschrauben, aber das macht lange nicht soviel Spaß!

Ob nun die Windquerdenker oder die Meteo-Professoren richtig liegen, kann uns letztlich egal sein, Hauptsache, es gibt überhaupt Wind. Aber so einfach ist das nun auch wieder nicht, denn Wind ist nicht gleich Wind. Es gibt warmen Wind, böigen Wind, Rückenwind, Gegenwind, Seitenwind, Fallwind, Hammerwind, Aufwind und dann, dann gibt es da noch den scheinbaren Wind. Und der ist wohl das allergrößte Mysterium im Windsurfing-Kosmos, denn es gibt ihn nur, wenn wir auf dem Board stehen und surfen. Und es kommt noch besser: Der scheinbare Wind ist eigentlich genau der Wind, mit dem wir übers Wasser flitzen. Bleiben wir stehen, ist er weg. Surfen wir los, ist er wieder da. Und somit ist für mich zumindest die Frage “Wer macht den Wind?” eindeutig geklärt. Wir Windsurfer machen uns den Wind selbst! Und wenn ihr das nächste Mal am Ufer sitzt und auf Wind wartet, jammert nicht rum von wegen Flaute und so – packt die Sache an, ihr habt das selbst in der Hand, geh raus und macht euch den Wind selbst.

Scheinbar geht das.


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