Vater Ed ein begnadeter Shaper auf Maui, der große Bruder Mark bis heute eine Ikone des Wavesurfens: Was sollte da schon aus dem kleinen Josh werden? Natürlich ein Windsurfprofi! Doch Joshs frühe Karriere war nicht nur von Erfolgen, sondern auch von viel Ärger geprägt. Erst nach seinem Umzug auf die Kapverden, Heirat, Vaterschaft und zwei Weltmeistertiteln in der Welle kehrte so etwas wie Ruhe in sein Leben ein. Seine Karriere als Profi beendete Josh abrupt bei einem Slalom-Contest in Portugal. Als Organisator des ersten PWA Wave-Worldcups nach über zwei Jahren Coronapause kehrte der 47-jährige Wahl-Kapverdianer zurück auf die Surfbühne. Und damit nicht genug: Als Teilnehmer versohlte er noch einigen etablierten Worldcuppern an seinem Home-Spot Ponta Preta den Hintern. Worldcup-Fotograf und surf-Autor John Carter traf Josh dort und ließ ihn über sein bewegtes Leben berichten.
Josh Angulo: unter den Besten
Jeder wollte der Beste sein! Auf dem Höhepunkt unserer Karrieren war das für uns das wichtigste, da waren wir alle gleich. Doch der Beste war nicht immer der, der am härtesten die Wellen zerlegte. Vor 2003 wuchsen die Europäer häufig über sich hinaus. Sie hatten ohne Zweifel viel Talent, aber sie vervielfachten ihre Siege, indem sie einfach sehr hart arbeiteten. Als ich Patrice Belbéoch’h, Björn Dunkerbeck und andere Europäer beob-achtete, hatte ich das Gefühl, dass sie mehr erreichten als ihr Talent eigentlich hergab – und mir wurde klar, warum.
Das war der Zeitpunkt, an dem ich anfing, nicht mehr nur diesen einen „move of the day“ zu machen, sondern einfach einen Sprung oder einen Cut-Back unter bestimmten Bedingungen immer und immer zu wiederholen, um mir eine solide Basis zu schaffen. Ich musste mich von der Hawaii-Ripping-Hookipa-Mentalität lösen, obwohl sie fest in meinem Kopf verankert war. Ich fing an, meine Ausrüstung zu tunen und die Wettbewerbe ernster zu nehmen. Plötzlich merkte ich, dass ich auch gewinnen kann. Wenn man erst einmal auf den Geschmack gekommen ist, möchte man immer mehr. Leider wird man dann auch ein bisschen egoistisch, was manche Leute abgeschreckt hat – und jeder geht damit anders um. Das habe ich in diesem Jahr hier auf den Kapverden bei einigen der Jungs gesehen. Sie gehen anders damit um als ich. Es gibt eben keine perfekte Formel zum Erfolg.
Ich habe 2003 und 2009 die Wave-Titel gewonnen – das ist es, was für mich gezählt hat. Ich habe es geschafft und bin glücklich darüber. Es lagen sechs Jahre dazwischen, also eine ziemlich große Lücke. Als ich 2003 gewann, hatte ich schon fast das Gefühl, dass meine Zeit zu Ende war. Für mich war es ein Jetzt-oder-nie-Jahr. Ich habe mich wirklich zum Sieg gezwungen und hatte nicht das Gefühl, dominiert zu haben. Wir hatten nur die Events in Pozo und auf Sylt – also zwei Contests mit Bedingungen, die nicht meine Stärke sind. Kein Maui, kein Portugal und keine Kapverden, wo ich hätte glänzen können. Aber irgendwie habe ich es geschafft.
Im nächsten Jahr kam ich super motiviert zurück, aber meine Ausrüstung war nicht so perfekt, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich glaube, ich habe in einigen Bereichen zu viel nachgedacht und mir zu viel Druck gemacht. Also ging es eher rückwärts. Vor dem Titel 2009 hatte ich wieder das Gefühl, dass ich fertig bin. Ich hatte die Nase voll und wollte keine Wettkämpfe mehr bestreiten. Ich war etwa Mitte 30 und hatte bereits die Dunkerbeck- und Naish-Generation hinter mir. Dann gab es die Generation von Polakow, Baker und Goya – und dann das, was ich als Kauli-Generation bezeichnen würde. Und nun auch noch die Philip-Köster- und Brawzinho-Generation. Ich konnte in all diesen Phasen Erfolge feiern. Mein erster Titel war ein Duell zwischen mir und Björn – und jetzt schaffe ich es hier auf den Kapverden plötzlich in die Top Ten und habe Leute wie Ricardo Campello und Camille Juban geschlagen. In Pozo würde ich aber nicht einmal die erste Runde überstehen.
SLALOM
2009 habe ich mich vom Wavesurfen zurückgezogen, nachdem ich meinen zweiten Weltmeistertitel gewonnen hatte. Ich war 34 und sagte mir: Das war’s! Ich brauche dieses tote Pferd nicht weiter zu reiten, das Pferd ist genug gerannt, es ist vorbei! Ich hatte ein paar Holzsegel (PWA-Trophäen) in meinem Haus und war bereit, Schluss zu machen. Damals beschloss ich jedoch, Slalom zu fahren – das reizte mich und ich dachte, ich könnte in der Disziplin noch etwas erreichen. Also habe ich zu racen begonnen, und es lief ganz gut. Ich hatte ein paar tolle Rennen, anständige Ergebnisse und habe mich überall nicht schlecht geschlagen.
Das Ende von von Josh Angulo als Profi
Dieser Abschnitt meines Lebens kam, als ich Vater wurde. Ich habe damals versucht, im Wettbewerb zu bestehen, während ich meine Kinder großgezogen habe, eine Ehe führte und versucht habe, ein paar Geschäfte aufzubauen. Darunter hat am Ende irgendwie alles gelitten.
Vor einiger Zeit haben wir mit dem Bau eines Hotels begonnen. Alles spitzte sich zu, als ich in Portugal bei einem Slalom-Contest war. Mir ging es überhaupt nicht gut. Meine Frau sagte zu mir: Du hast dies, das, das und das am Laufen. Du musst etwas eliminieren, dich entscheiden! Nach einem Lauf rollte ich alle meine Segel ein, packte das Auto und fuhr zurück nach Cascais, wo meine Familie war, und das war’s! Ich bin einfach so mitten in der Veranstaltung abgereist. Ich hatte am Vorabend mit meiner Frau telefoniert und wusste, dass alles eskaliert. Ich sagte zu mir selbst: Weißt du was, sie hat Recht! Auch wenn wir Männer es vielleicht nicht zugeben wollen, dass unsere Frauen recht haben, gibt es Momente, in denen wir einfach den Schwanz einziehen und akzeptieren müssen. Im Grunde genommen ging es darum, sich zwischen dem professionellen Windsurfen, unserem Leben und Geschäft auf den Kapverden und meiner Familie zu entscheiden! Ich konnte das nicht mehr alles unter einen Hut bringen. Ich werde meine Familie nicht aufgeben!
Ich habe gesehen, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen auf die eine oder andere Weise ihre Karriere beendet haben. Björn tat es auf seine Art, Micah Buzianis tat es auf seine. Robby ist seinen Weg gegangen, und ich habe es auf meine Weise getan! Jeder hat es anders gemacht. Einige haben durchgehalten und alles ausgenutzt, in der Hoffnung, dass sie immer noch relevant sind – gut für sie. Wenn das dein Leben ist... großartig! Manche sind wie ich – ein kleines, gemästetes Kalb, das an einem gedeckten Tisch vor dem blauen Meer sitzt und Thunfisch-Tartar isst! Es ist alles gut. Aber eine Sache hatten wir alle gemeinsam: Wir alle waren mit einem super Lebensstil gesegnet. Ich hatte gestern Abend ein paar von den jungen Fahrern zum Abendessen zu Besuch und habe ihnen geraten: Nutzt es so lange wie möglich. Die Teilnahme an der PWA-Tour ist nicht das Ende aller Dinge. Genießt es! Wenn es einmal vorbei ist, ist es vorbei. Zumindest was den Wettkampf betrifft. Aber es ist noch nicht ganz vorbei. Björn ist immer noch hier und er ist immer noch ganz aufgeregt. Gestern saßen wir hier und sahen Bernd Flessner und Björn auf uns zukommen. Ich schaute zu Swifty (Robby Swift) und Brawzinho (Marcilio Browne) und sagte: Das seid ihr in 15 Jahren. Sie haben gelacht. Björn hat jetzt Liam und er surft mit ihm. Ich surfe mit meinem Sohn Noah. Das Leben ist noch nicht vorbei, es sind nur neue Etappen.
Unter dem Radar
Ich war eine Zeit lang nicht auf dem Radar, auch weil ich nicht in den sozialen Medien unterwegs bin. Um zu wissen, wie das geht, muss ich meinen Sohn fragen. Die meiste Zeit war ich hier auf den Kapverden und wir haben uns sehr beim Bau dieses kleinen Hotels engagiert. Dann kam Covid. Dadurch waren wir zwei Jahre lang komplett weg vom Fenster. Niemand hat jemanden gesehen. Vor vier Jahren wurde ich noch mal Vater, aber das alles ging unter, weil so viele Dinge zur gleichen Zeit passierten. Mit dem Profi-Windsurfen habe ich abgeschlossen, trotzdem bleibe ich dabei und war fast jeden Tag auf dem Wasser. Vor nicht allzu langer Zeit stand ich mit Craig Gertenbach von Fanatic in Kontakt, um ein paar Wings für meinen Sohn zu bekommen. Dann halfen sie mir mit ein paar Segeln für den Contest aus. Ich habe Nik Baker von Duotone angerufen, er hat mir Segel geschickt. Es war großartig, mit all den Jungs zu reden, mit denen ich auf der Tour aufgewachsen bin.
Kapverden Worldcup
Es war einfach großartig, den PWA-Worldcup wieder hier zu haben. Die PWA-Manager sprachen mit mir bereits im letzten Jahr, ich rief sofort den Tourismusminister an, der ein guter Bekannter ist. Er war einverstanden, aber dann ist das Projekt ins Stocken geraten, weil die PWA mit dem Sponsor SOMWR einen Grand Slam in Frankreich auf die Beine stellte. Doch dort gab es fast keinen Wind, so kam dann das ganze Kapverden-Konzept wieder ins Rollen. Sie riefen mich erneut an, aber dieses Mal wollte ich definitiv wissen, ob das Projekt auch wirklich zustande kommen würde, bevor ich die Minister anrief. Ich wollte mir nicht zweimal ins Hemd machen. Alles klang solide. Vielen Dank an SOMWR und die PWA, die sich zusammengetan haben: So haben wir es geschafft.
Wir hatten hier bereits die Infrastruktur, nachdem wir Kite-Events und die alten PWA-Events durchgeführt hatten. Ich war in der Lage, mit neuen Leuten in allen Bereichen alles auf die Beine zu stellen und etwas entspannter zu sein. Das war wohl der Lohn für all die harte Arbeit, die in der Vergangenheit geleistet wurde. Es ist ein wirklich gutes Gefühl zu merken, dass man nicht mehr alles kontrollieren muss – lasst die Fehler passieren! Die Livestream-Crew wurde schon hektisch, wenn der Stromgenerator nicht um sieben Uhr morgens an war. Aber weißt du was? Das ist in Ordnung, denn ich weiß, dass er läuft, bevor der Wettbewerb beginnt. Wir strengen uns an, sie strengen sich an und wir schaffen es – und haben am Ende Erfolg.
Die Rückkehr des Josh Angulo
Ich hatte überhaupt nicht geplant, am Worldcup teilzunehmen. Mein Plan war es, die Crew zu organisieren, im Zelt zu sitzen und alles zu überwachen. Ich wollte zuschauen und eine gute Zeit haben. Ich habe alle guten Windsurfer der Insel angerufen, um ihnen eine Wildcard für die Teilnahme zu organisieren. Aber einige von ihnen sind jetzt Kite-Weltmeister oder führen ihre eigenen Unternehmen. Aber wir brauchten einen Vertreter der Kapverden. Die Kapverdianer sind sehr sportbegeistert und stolz darauf, die kapverdische Flagge zu vertreten. Ich wusste, dass ich das Zeug dazu hatte, das Land anständig zu vertreten. Also machte ich mich an die Arbeit. Ich habe ein paar neue Segel, doch die Bretter, die ich habe, sind alt. Aber dafür kenne ich sie sehr gut, um es mal so zu sagen. Ich weiß, wie man eine Welle in Ponta Preta erwischt und wie man sie am besten abreitet. Ich hatte also ein gutes Gefühl dabei. Es gibt etwa zehn Leute im Starterfeld, von den ich wusste, dass sie in Ponta Preta rippen würden und etwa 20 Leute, die sich vermutlich sehr schwer tun werden, weil es für sie ein völlig neuer Spot ist. Ich wollte mir das nicht ansehen und denken: Warum bin ich nicht da draußen? Diese Angst zu bedauern, nicht mit dabei zu sein, war größer als meine Angst vor der Peinlichkeit. Also fing ich schließlich an, wieder mehr zu surfen und in den Wochen vor dem Event regelmäßig zu trainieren.
Josh Angulo zieht (Zwischen)-Bilanz
Ich habe das Gefühl, mich immer noch in einer Übergangsphase zu befinden. Ich lebe derzeit komplett auf den Kapverden – aber das kann noch nicht alles sein, ich möchte noch neue Projekte verwirklichen. Ich bin hier in einige Unternehmen involviert, die ich noch betreuen muss, bis sie ein Niveau erreicht haben, bei dem ich mich viel mehr zurückziehen kann. Dann kann ich mich wieder anderen Zielen widmen. Was den geistigen, emotionalen und mentalen Bereich betrifft, so habe ich das Gefühl, dass ich mich in einer ganz guten Position befinde. Klar, man kann immer noch besser werden. Man muss ständig daran arbeiten, um besser zu werden. Meine Beziehung zu meiner Frau entwickelt sich immer noch weiter, was sehr wichtig ist. Happy wife, happy life! (lacht) Ein perfektes Szenario wäre für mich sicher ein Frühling und Sommer in Nordamerika und ein Winter auf den Kapverden. Das wäre die perfekte Situation – mal sehen, ob das irgendwann was wird. Vor allem wegen der ganzen Covid-Situation. Während der Pandemie waren die Kapverden ein toller Ort zum Leben. Es war ruhig, es war warm, wir konnten surfen, und es fühlte sich gut an, diese Zeit an so einem großartigen Ort zu verbringen.