Trans montanus stammt aus dem Lateinischen. Es steht Pate für den Tramontana, einem Wind, der „über die Berge“ zu uns kommt und daher jenseits der Berge seinen Ursprung hat. Im Unterschied zu geografisch genau definierten Winden wie dem südfranzösischen Mistral oder der slowenisch-kroatischen Bora kann dieser Wind überall zu Hause sein. Hauptsache, er weht von einem Küstengebirge auf die Küste herab.
Tramontana-Winde zeichnen sich durch bestimmte Eigenschaften aus. Sie wehen ablandig und haben infolge der Beeinflussung durch das küstennahe Gebirge Fallwind-Charakter. Sie sind deshalb ausgesprochen böig. Zugleich ist die Luft verhältnismäßig trocken, klar, und das Wetter oft schön. Das liegt an dem Föhneffekt infolge des Absinkens der Luftströmung hinter den Bergen in Richtung Strände. Sehr warm wird’s aber nicht – zumindest im Mittelmeerraum – aufgrund der oft weit im Norden gelegenen Herkunftsregion einer Tramontana-Luftströmung.
Überall, wo küstennahe Bergketten von einer Luftströmung überquert werden, bevor sie die Küste erreichen, erleben die Wassersportler diesen Tramontana. Das ist zum Beispiel an der ligurischen Küste bei nördlicher bis östlicher Luftströmung der Fall – dort fällt der Wind vom Apennin auf die Strände herab. Die Franzosen sprechen vom Tramontane, und bei den Spaniern heißt er Tramuntada oder Tramontada, je nach Region.
Typische Wetterkarte
Entsprechend den unterschiedlichen Regionen, in denen der Tramontana auftritt, sind auch die – diesen Wind erzeugenden – Großwetterlagen sehr unterschiedlich. Das heißt, jede Küstenregion mit Bergen im Hinterland hat ihre eigene Tramontana-Wetterlage.
Entscheidend bei allen geografischen Varianten ist eine Luftdruckverteilung, bei der sich die Küste zwischen Hoch und Tief befindet – und sich im Zwickel zwischen den beiden atmosphärischen Gegenspielern eine lebhafte Luftströmung ausgebildet hat. Dabei gilt für die Nordhalbkugel: Wenn man vom Spot zu den Bergen blickt, befindet sich der tiefere Luftdruck oder das Tief rechter Hand – und höherer Luftdruck beziehungsweise das Hoch links. Nur dann entsteht eine ablandige Luftströmung.
So braucht der ligurische Tramontana für seine Entstehung hohen Luftdruck in Richtung Südfrankreich oder Alpenraum und ein Tief im Raum Tyrrhenisches Meer, Mittel- oder Süditalien. Für einen Tramuntada an der Costa Brava dagegen muss hoher Luftdruck über dem Westen der Iberischen Halbinsel samt Biskaya herrschen – und vis-àvis in Richtung Mitteleuropa-Westalpen manchmal auch im Ligurischen Meer Tiefdruck.
Wirkungsgebiet
Tramontana ähnelnde Winde sind überall auf der Welt möglich: Dort, wo es Wetterlagen mit lebhaften Winden gibt, die einen küstennahen Gebirgszug im mehr oder weniger rechten Winkel in Richtung See queren. Dass der Begriff Tramontana im Mittelmeerraum geboren wurde, liegt an den topografisch reichlich gegliederten Küsten dieser Region, wo oft Berge in der Nähe der Küste aufragen. So wollen wir uns hier auf das Mittelmeer beschränken.
Besonders im iberischen Westen und im Norden des Mittelmeers gibt es viele Küstenabschnitte mit Bergen im Hinterland – und damit auch Tramontana-Situationen, sobald sich die entsprechende Wetterlage einstellt.
Dazu zählen die Strände Andalusiens von Malaga im Westen bis nach Alicante im Osten. Die Costa del Sol verdankt ihren sprichwörtlichen Sonnenschein-Reichtum den Tramontana-Wetterlagen im Lee des andalusischen Gebirgslandes. Das Gleiche weiter nördlich am Fuße des iberischen Randgebirges zwischen Valencia und dem Ebro-Delta. Und dann noch einmal an den Spots der Costa Brava im Lee der Pyrenäen (katalonisch: Tramuntada). An all diesen ostspanischen Küsten weht der Tramontana, wenn die Großwetterlage eine großräumige Überströmung der küstennahen Gebirge aus dem Sektor Westnordwest bis Nordnordwest verursacht.
“Über die Berge” ist die allgemeine Übersetzung von Tramontana – deshalb ist er geografisch an vielen Spots anzutreffen.
Varianten des Tramontana
Die Nordwestwind-Variante des Mistrals zaubert an den Spots zwischen Narbonne und Montpellier ebenfalls einen Tramontana (Tramonte, Tramontane). Eigentlich können wir den ganzen Mistral auch als Tramontana ansehen – genau genommen beruht der Mistral auf einer Mischung aus Düseneffekt und ablandigem Fallwind.
Den ligurischen Tramontana erleben die Surfer von den Stränden bei Genua im Norden bis runter zu den Spots rund um Viareggio, bei nördlicher bis östlicher Luftströmung. In abgeschwächter Form reicht er bis zu den toskanischen Küsten weiter im Süden.
An vielen Küstenabschnitten im Westen Korsikas – und mancherorts auch Sardiniens – weht der Tramontana bevorzugt bei einer Ostwetterlage.
An den Küsten Oberitaliens nennen Einheimische den kühlen Nordwind Tramontana, der von der Alpenregion her weht.
Die Bora Sloweniens und der gebirgsreichen Küstenabschnitte Dalmatiens kann genetisch durchaus auch als Tramontana durchgehen.
Blicken wir in den östlichen Mittelmeerraum, so erleben wir Tramontana ähnelnde Sitationen oft bei kühlen Nordwetterlagen an der nördlichen Festlandsküste der Ägäis, also an den Spots Makedoniens und Thrakiens.
Hochsaison
Der Tramontana entsteht bei einer Luftströmung zwischen Hoch und Tief, die stark und hochreichend genug ist, um ganze Gebirgszüge zu überqueren und dabei ihre Herkunft irgendwo im kühleren Norden hat. Das ist mit Blick auf den Mittelmeerraum vor allem im Westen und Norden der Region der Fall. Und das besonders in der Zeit von Oktober bis April, wenn sich die mediterrane Wetterküche im Wintermodus befindet – mit ihrem chrakteristischen Wechsel zwischen Hochdruck und Tiefdruck und zwischen kühlen und wärmeren Witterungsperioden.
Diese Wechselhaftigkeit trifft auch auf den Tramontana zu, der wie Mistral, Schirokko und Bora nur zeitweise weht, also episodischen Charakter hat.
In der Regel weht er im Sommer selten länger als ein bis zwei Tage. Von Herbst bis Frühjahr hingegen beherrrschen die Böen dieses ablandigen Windes den betroffenen Spot durchaus auch mal über drei bis fünf Tage hinweg.
Typische Wind- und Wetterbedingungen
Die vom Gebirgskamm in Richtung Küste absinkende Luftmasse erwärmt sich und trocknet dabei zugleich ab. Die nach diesem Föhnprinzip modifizierte Luft schenkt den Spots das typische Tramontana-Wetter mit höchstens einigen wenigen, handverlesenen Wölkchen und ansonsten viel Sonnenschein.
Die sehr trockene Luft sorgt für eine hervorragende Fernsicht. Wenn auch sonst der Dunst die Erhebungen im Hinterland verschleiert, bei Tramontana sehen wir die Berge, so fern sie auch sein mögen, zum Greifen nah. So wird auch der Wortursprung im wahrsten Sinne des Wortes augenscheinlich: Wir sehen deutlich, dass der Wind bei Tramontana von den Bergen kommt. Trotz der vielen Sonnenscheinstunden ist die Luft wegen der oft nördlichen Herkunft eher kühl, besonders am Abend, nachts sowie in den Morgenstunden.
Typische Tramontana-Winde wehen mit vier bis fünf, in Böen sechs Beaufort. Dabei ist es nachts und morgens oft windiger als vormittags, mittags und nachmittags.
Starke Schwankungen in der Windstärke sind ein Markenzeichen dieses Windes. Sie werden durch die Bodenrauhigkeit hervorgerufen, denn der Kontakt der Luftströmung mit der reliefierten Landoberfläche verstärkt die Turbulenz und damit die Böigkeit. Dieser Effekt wird tagsüber noch verstärkt durch die thermisch bedingte Unruhe in der sich erwärmenden Luftmasse (Sonnen-Böigkeit).
Verstärkungsfaktoren
Das Luftdruckgefälle zwischen Hoch und Tief ist der Motor des Tramontanas. Die lebhaftere Tiefdrucktätigkeit des Winterhalbjahrs sorgt auch für besonders lebhafte Tramontana-Winde in dieser Zeit. Von Oktober bis April mausert sich der ablandige Wind mitunter zum Starkwind mit Sturmböen-Potenzial.
Topografisch reich gegliederte Küstenabschnitte können mit ihren Kaps, Buchten und Taleinschnitten je nach ihrer Orientierung und der Tramontana-Windrichtung für lokale Düseneffekte sorgen. Berüchtigte Beispiele sind bei Tramontana aus Ostnordost der Landvorsprung bei Antibes, Kap Ferrat sowie Kap Berta.
Bei Tramontana, der mehr aus Nord als Ost kommt, verwandeln sich diese Küstenstreifen in Düsen (von West nach Ost): Finale Ligure bis Varazze, Arenzano bis Genua, Spots rund um Chiavari, Strände von La Spezia bis Viareggio.
Der Tramontana vermag die Strömung in manchen Meerengen gefährlich flott werden lassen. Bei lebhaften Nord- bis Nordostwinden zieht das Wasser zwischen den Stränden im Osten von Elba und denen vis-à-vis an der toskanischen Küste mit mehr als zwei Knoten nach Süden. Überstreicht ein kräftiger Tramontana aus Ost die Spots an den Westküsten Korsikas und Sardiniens, wird’s in der Meerenge zwischen beiden Inseln gefährlich. Nicht nur der Wind frischt dort stürmisch auf, auch der Strömung verpasst die Passage einen Düseneffekt und die Abdrift nach Westen kann örtlich drei Knoten überschreiten.
Störfaktoren
Eine Abschwächung des Luftdruckgefälles – sei es, dass das Hoch schwächelt oder dem Tief die Puste ausgeht – schwächt auch den Tramontana. Bevor der Tramontana das Zeitliche segnet, sehen wir die Zeichen am Himmel. Zum Beispiel, wenn die brillante Sicht allmählich dem typisch mediterranen Dunst weicht und die Berge im Hinterland nicht mehr zu erkennen sind. Auch wenn landeinwärts vermehrt Haufenwolken entstehen oder sich diese in der Nähe der Berge gar zu Wärmegewittern entwickeln, ist dies der Anfang vom Ende einer Tramontana-Episode.
Tramontana – Hauptsache Berge
Grundsätzlich nennt man alle Winde, die aus den Bergen aufs Meer hinauswehen, Tramontana. Deshalb kann er an vielen Spots im Mittelmeer auftreten. Hier sieht man ein klassisches Satellitenfoto bei Tramontana an der ligurischen Küste.
Alle Teile des Wind-Specials:
- Der Westwind
- Der Ostwind auf der Ostsee
- Ora und Vento am Gardasee
- Der Föhn in den Alpen
- Der Meltemi in Griechenland
- Die Bora in Kroatien
- Der Schirokko im zentralen Mittelmeer
- Der Mistral in Südfrankreich
- Der Tramontana im nördlichen Mittelmeer
- Der Levante in Südspanien
- Die Passatwindzone
- Die Wurzeln der Passat-Winde
- Kernpassat – Im Zentrum des Passats
- Passat-Auslaufzone – Das Ende des Passats
- Interview: Klimaforscher Dr. Michael Sachweh – “Stürme jagen ist meine Leidenschaft”
- Windfinder: So entstehen Wind-Vorhersagen, das unterscheidet Forecast und Super-Forecast