Abwarten und Tee trinken: So lautet eine der goldenen Regeln der Ostfriesen. Dass man das mit dem Teetrinken in Ostfriesland ernst nimmt, wurde jetzt erst durch offizielle Statistiken bestätigt: Die Ostfriesen sind Weltmeister im Teetrinken, rund 300 Liter schlürft in der Gegend um Aurich jeder Erwachsene pro Jahr. Und Tee wird nicht mal eben so getrunken. Auch wenn es Ostfriesenwitze nicht erst seit Otto Waalkes gibt, in punkto Tee verstehen die Ostfriesen keinen Spaß. Teetrinken ist eine Zeremonie. Zuerst kommt der Kandis, das Kluntje, in die Tasse. Darüber wird der frisch aufgebrühte Tee gegossen, bevor mit einem kleinen Löffel die Sahne kreisweise hinzugeben wird. Auf keinen Fall darf umgerührt werden, das bringt Unglück! Zumindest aber Flaute.
Scheinbar hatte diesmal irgendwer seinen Tee umgerührt, denn ich musste auch ziemlich lange abwarten und Tee trinken. Der Sommer 2021 zeigte sich sehr windarm, normale Wetterlagen stellten sich nur selten ein. Im Herbst passten dann aber Wind und Wetter, und wir brachen nach Südbrookmerland auf. Mit einem Freund, der an den Feinheiten der Halse feilt, ging es dann vorbei an neugierigen Schafen auf den Deichen ans Große Meer. Genauso wie das Kleine Meer ist auch das Große Meer ein sogenannter Flachmoorsee. Und flach ist es in der Tat. Nicht ganz so flach wie manche Ostfriesenwitze, aber zumindest überall stehtief. Entsprechend führte unsere Route, teilweise hinter Treckern, durch viel flache Landschaft – durchzogen von Kanälen, in denen das Wasser interessanterweise manchmal weit über dem Niveau der Felder fließt.
Viel Landschaft, viele Kanäle, wenige und kleine Orte lassen erahnen, wie karg besiedelt die Region Südbrookmeerland gewesen ist. Und wie arm die dem Moor abgerungene Gegend mit ihrer kargen Landschaft und schlechtem Wegenetz früher war. Dort, wo man heute Urlaub macht und die Landschaft und Ruhe genießt, lebten früher Menschen in ärmlichen Hütten und versuchten durch mühsame Arbeit das Land so weit zu entwässern, dass Ackerbau und Viehzucht wenigstens das Überleben sicherten. Vielleicht kommt daher auch die Gelassenheit der Einwohner, die sich immer damit abgefunden haben, dass manche Dinge eben nicht zu ändern sind.
Ein paar sehr entspannte Surfer waren bereits auf dem Wasser oder bauten ihr Material gerade auf. Und die Bedingungen sahen vielversprechend aus: die Windrichtung perfekt aus Süd und viel Platz auf dem Wasser. Entsprechend schnell waren auch wir draußen. Und das Große Meer hielt das, was wir gehofft hatten. Perfekte Bedingungen für Ein- und Aufsteiger, ein sicheres Gefühl und Manöverüben mit der Bequemlichkeit des Stehreviers – also auch bei kühleren Temperaturen ohne längere Schwimmeinlagen. Trotzdem ist ausreichend Platz für Speedruns oder – um einfach mal die Gegend zu erkunden – bis fast an die Schilfgürtel an der Westseite des Sees. Dass der Südteil des Großen Meeres für Wassersportler gesperrt ist, schmälert den Spaß nicht besonders. Es ist mehr als ausreichend Platz vorhanden, egal ob für Slalom, Freestyle, entspanntes Cruisen oder eben zum Manöverüben.
Da wir den Spot spät im Jahr besuchten, waren auch die Temperaturen gegen Abend nicht mehr besonders warm. Also genau das richtige Wetter für eine Tasse Tee zum Abschluss, natürlich stilecht auf ostfriesische Art. Wer es noch authentischer möchte, sollte statt Rum im Tee einfach mal einen Friesengeist bestellen und dann über die folgende Zeremonie staunen. Probiert es aus!
Windsurf-Spot Großes Meer
Das Große Meer ist durchgängig stehtief, hat aber gegenüber vielen Nordseespots den Vorteil, dass es gezeitenunabhängig ist. Wegen der geringen Wassertiefe sind Finnen über 40 Zentimeter oder Foils eher nicht empfehlenswert. Fahrbar sind aufgrund des flachen Umlandes und der geringen Wassertiefe prinzipiell alle Windrichtungen. Am besten sind allerdings Winde aus südlichen Richtungen, dann kommt der Wind ungehindert übers Wasser. Aufgrund der Stehtiefe ist es ein absolut sicheres Revier, auch bei ablandigem Wind. Im Winter wird teilweise der Wasserspiegel etwas abgesenkt, dann reduziert sich auch die sinnvolle Finnenlänge. Es gibt relativ wenig Windabdeckung am Ufer – wenn der Wind stärker und längere Zeit aus Süden kommt, kann es etwas kabbelig werden. Der Untergrund ist Torf- bis Sandboden, vereinzelt mit Steinen oder Wurzeln. Auf der Westseite nahe am Schilf wird die Torfschicht dichter, dort sinkt man ein Stück weit ein, was aber auch kein Problem darstellt. Der Südteil darf aus Naturschutzgründen nicht befahren werden, Kiten ist generell verboten.
Im Nordost-Teil gibt es mehrere Möglichkeiten aufs Wasser zu gehen. Entweder steigt man über den Sandstrand im Norden vor dem Hotel Landhaus ein, über die Paddelstation, an der Surfschule oder der Hundewiese. An den letzteren drei Einstiegen kann man sehr gut auf einer Rasenfläche aufbauen, auch Infrastruktur ist hier vorhanden. Lediglich der Einstieg selbst ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig und führt über eine etwa 50 Zentimeter hohe Holzspundwand, über die man sein Material zu Wasser lässt. Nachdem man es sich aber einmal bei den Locals abgeguckt hat, stellt das kein Problem mehr dar. An der Paddel- und Pedalstation sowie an der Surfstation befinden sich Stege, die den Einstieg erleichtern. Aktuell ist wohl auch ein Einstieg über eine Treppe in Planung. Der restliche Uferbereich ist aus Naturschutzgründen gesperrt oder wegen des Schilfbewuchs nicht zugänglich.
Spot Infos Großes Meer
Anreise
Das Große Meer liegt zwischen Emden und Aurich – und damit rund 130 Kilometer westlich von Bremen. Erreichbar ist der Spot am besten mit dem Auto. Aus dem Ruhrgebiet geht es über die A 31. Eine der wenigen Autobahnen, die keine ständige Baustelle ist und auf der man nicht andauernd im Stau steht. Das letzte Stück ist Landstrasse, alles in allem sehr entspannt
Wohnen & Campen
Am Großen Meer gibt es Ferienwohnungen und weitere Unterkünfte, zu finden über die bekannten Buchungsplattformen im Internet. Es gibt neben dem Hotel Landhaus (www.hlgm.de) auch eine ganze Reihe von Ferienhäusern am Nordende des Großen Meeres. Über die Webseite www.grossesmeer.de/unterkuenfte-hotels finden sich eine große Anzahl von Unterkünften für fast jeden Geschmack. Am Hotel gibt es zudem die Möglichkeit, in großen Fässern mit Blick aufs Wasser zu übernachten.
Außerdem befinden sich zwei Campingplätze vor Ort. Der Campingplatz Großes Meer (www.grossesmeer.de/campinmg) befindet sich direkt am besten Spot am Nordostufer des Sees. Wer sich hier einquartiert, kann das Auto stehen lassen. Außerdem gibt’s nah am Wasser den sogenannten Wohnmobil-Hafen, gebührenpflichtig und mit sehr guter Infrastruktur wie Sauna, Sanitärgebäude, Kiosk und Touristen-Information. Auf dem Wohnmobil-Parkplatz gibt es allerdings keine Möglichkeit der Stellplatzreservierung. Infos unter https://www.grossesmeer.de/kultur-region/ortschaft-bedekaspel/wohnmobilhafen-grosses-meer-suedbrookmerland. Ein Surfbuggy empfiehlt sich für den Transport des Materials, wenn man nicht alles an die Waterkant tragen will.
Wind, Wetter & Tipps für den Neo
Der Norden Niedersachsens wird zuverlässig belüftet. Vor allem Westlagen bescheren der Region ideale Surfbedingungen. Diese können ganzjährig auftreten, den meisten Wind gibt‘s allerdings im Winterhalbjahr. Ideal ist der Herbst. Das flache Binnengewässer erwärmt sich im Frühjahr deutlich schneller als die Nordsee, weshalb man hier nach einigen warmen Tagen im Frühling schon mit dünnem Neo aufs Wasser kann – während auf der Nordsee noch Haube und dicke Pelle angesagt sind. Im Herbst dreht sich die Sache dann allerdings um - einige kalte Tage reichen aus, um auch die Wassertemperatur spürbar zu verringern. Der Untergrund ist Torf- bis Sandboden, vereinzelt mit Steinen oder Wurzeln. Auf der Westseite nahe am Schilf wird die Torfschicht dichter, dort sinkt man ein Stück weit ein, was aber auch kein Problem darstellt. Schuhe sind aber in der Regel empfehlenswert.
Shops & Schulen
Am Nordostufer des Gewässers befindet sich mit Windsurfing Großes Meer eine Windsurf-, Segel- und Wing-Schule. Infos und Kontakt unter www.grosses-meer.surf
Alternativprogramm
Stand-Up-Paddeln, Segeln, Wingen oder Kanufahren sind Alternativen für die Tage, an denen der Wind nicht ganz zum Gleiten reicht. Daneben bieten sich auch Touren mit Paddelbooten an, Verleih ist an der Paddelboot-Station mit interessanten Tourenvorschlägen durch diverse Kanäle und andere Wassergebiete. Es gibt ein großes Radwegenetz für windlose Tage. Aurich, Emden und Leer sind ebenfalls nicht weit entfernt. Weitere Alternativen finden sich auf www.grossesmeer.de/aktivitaeten
Neben einem Moormuseum gibt es auch das Dörpmuseum Münkeboe, in dem man sich in alte Zeiten versetzt fühlt. Hinzu kommt noch das Heimatmuseum Wiegboldsbur, welches sich im dreistöckigen Galerieholländerhaus befindet. Infos unter www.grossesmeer.de/kultur-region
Gut zu wissen
Im Gegensatz zu anderen Binnenrevieren ist Seegras hier kein Thema. Seegras-Finnen werden mitunter benutzt, allerdings eher wegen der teilweise geringen Wassertiefe.