Jaeger Stone ist so ein Dude, den eigentlich jeder mag. Der 32-jährige Australier verkörpert die sprichwörtliche Gelassenheit der Menschen aus Down Under. Keine Allüren, immer freundlich und nett, dabei aber eher zurückhaltend – was wiederum nicht in der Natur eines jeden Australiers liegt. Von seinen Konkurrenten im World Cup war nie ein schlechtes Wort über Jaeger zu hören. Im Gegenteil: Wenn‘s um die Leistung auf dem Wasser geht, sprechen die Kollegen nur mit großer Hochachtung von ihm. Wenn es um den Titel des Wave-Weltmeisters auf der PWA Tour ging, dann fiel sein Name zu Beginn der Saison regelmäßig als einer der potenziellen Titelträger. 2019 gewann er den World Cup auf Teneriffa, doch dann verschwand er von der Wettkampf-Bühne. Wir haben ihn in seiner Heimat wiedergetroffen.
Woher kommt dein ungewöhnlicher Vorname?
Haha, meine Eltern mögen einfach ungewöhnliche Namen, vielleicht auch ein wenig durch die Musik beeinflusst: Mein Bruder heißt Hendrix.
Die letzten drei Jahre waren vermutlich auch in deiner Heimat sehr speziell. Wie war der Lockdown wegen Covid in Westaustralien?
Na ja, unsere Grenzen zu den anderen Bundesstaaten und dem Rest der Welt waren ja eine Zeitlang komplett dicht. Aber abgesehen von einigen, örtlich begrenzten Lockdowns war in Westaustralien alles für uns fast wie immer. Es gab Abstandsregeln, die auch immer mal wieder modifiziert wurden. Aber eigentlich hatten wir Glück, denn für uns gab es nicht so richtig viele Einschränkun- gen im Alltagsleben. Ich kann mich, ehrlich gesagt, nicht beschweren und weiß, dass die Situation in anderen Teilen der Welt ganz anders war.
Westaustralien war immer schon eine Windsurf-Hochburg. Wie bist du zum Sport gekommen?
Ich habe mit elf Jahren mit dem Windsurfen begonnen. Mein Dad Mark hatte ein Jahr zuvor damit angefangen. Er hat dann Boards für ein paar einheimische Windsurfer geshaped. Er wollte damals schon ein besseres Verständnis für die Boards und das Design entwickeln und ist bis heute mit viel Leidenschaft dabei. Er hat mir auch alle Grundlagen beigebracht. Er, mein Bruder Hendy und ich waren von da an quasi jeden Tag während der Windsurfsaison hier auf dem Wasser.
Deinen ersten World Cup Event bist du 2006 gefahren, danach ging es für dich im Ranking steil und stetig aufwärts. 2015 warst du Dritter und jeweils Vierter 2016 und 2018. Erinnerst du dich an ganz besondere Momente?
Da gab es eine ganze Reihe, sowohl im als auch neben dem Wettkampf. Ich würde sagen, ganz besonders war es, den Red Bull Storm Chase und im gleichen Jahr, 2019, den World Cup Event auf Teneriffa zu gewinnen. Der Red Bull Storm Chase war ein echtes Highlight – etwas, das einen sehr hohen Stellenwert für mich hat und etwas ganz Besonderes ist. Ich habe den Event damals irgendwie nicht wirklich als Wettkampf empfunden, sondern eher als Abenteuer genossen. Ich mag das Eventformat, die Bedingungen, in denen wir gesurft sind, die Möglichkeiten, die einem ein solcher Event gibt. Da zu gewinnen gab mir eine ganze Menge Selbstvertrauen. Aber ich wollte mir selbst beweisen, dass ich auch einen traditionellen PWA World Cup gewinnen kann. Ich war schon mehrfach im Finale, aber ich hatte noch nie gewonnen. Insofern war es ein besonderes Erlebnis, im gleichen Jahr auf Teneriffa, wo ich sehr gerne bin, endlich auch mal ein Finale zu gewinnen. Gerne erinnere ich mich auch an die elf Punkte für meinen Push-Forwardloop in Pozo – das war ziemlich cool. Es gab aber auch so viele tolle Momente außerhalb der Wettkämpfe, ich freue mich definitiv auf mehr davon!
Beschreib doch mal, was so besonders beim Red Bull Storm Chase war?
Es war ein wirklich wilder Ritt. Die Warteperiode, bis es endlich richtig losging, dauerte mehrere Jahre, weil es innerhalb des Zeitfensters für den Contest keine geeigneten Stürme gab. Als die Vorhersagen dann gut aussahen, bekam ich den Anruf – innerhalb von zwölf Stunden hatte ich gepackt und war auf dem Weg zum Flughafen, Richtung Irland. Irland ist einfach wunderschön, ich habe die Erfahrung sehr genossen. Die Bedingungen waren total unterschiedlich, und wir kamen mehrere Tage aufs Wasser – es hat wirklich Spaß gemacht. Natürlich war ich auch ziemlich nervös und hatte Angst vor dem Unbekannten, aber das macht es ja auch aufregend und war eine Gelegenheit für mich, aus meiner Komfortzone herauszukommen und so hart wie möglich zu pushen. Man hat ja nicht oft die Chance, in diesen extremen Bedingungen zusammen mit einigen der besten Windsurfer und der besten Water-Safety-Crew der Welt zu surfen.
Es war ein wilder Ritt und die Gelegenheit, aus meiner Komfortzone zu kommen und so hart wie möglich zu pushen.”
Abgesehen von der Kälte habe ich mich so gut wie möglich auf den Event vorbereitet gefühlt. Daher konnte ich mich darauf fokussieren, Spaß zu haben und jede sich bietende Gelegenheit für etwas Außergewöhnliches zu nutzen. Es war wirklich extrem, manchmal hat es sich angefühlt, als ob man das Segel nicht mehr festhalten kann, weil es einfach zu windig war. Weil manchmal einfach die Hände so kalt waren, dass man nichts mehr fühlte. Ich war sehr froh, dass ich auf meinem Material so gut eingefahren war. Ich habe ein Severne S-1 Pro in 3,0 und 3,3 Quadratmetern benutzt, hatte aber auch noch ein Custom in 2,7 in Reserve. Das war vor allem mental eine Hilfe, weil ich wusste: Ich kann noch eine Nummer kleiner fahren, wenn es sein muss. Das Problem mit einem zu kleinen Segel war aber, dass man manchmal im Windschatten der Wellen keinen Druck mehr im Segel hatte. Als Board hatte ich ein Custom Starboard/Stone Surf, das letztlich Inspiration für die Ultra Kodes und die aktuellen Severne Boards, die ich jetzt fahre, wurde. Den Event in diesen Bedingungen zu gewinnen, gegen all die anderen großartigen Teilnehmer, war grandios. Ich bin sehr dankbar für diese Gelegenheit und schätze diesen Moment in meinem Leben sehr.
Warum hast du dann aufgehört mit Wettkämpfen, obwohl es super bei dir lief und du die Chance auf den Weltmeistertitel hattest?
Das war eine wirklich schwierige Entscheidung, über die ich monatelang intensiv nachgedacht habe. 2020 hatte ich Gelegenheit, mal zu entschleunigen und zu überlegen, was ich wirklich will, was ich mag und was meine Werte sind. Es war keine Entscheidung, die ich über Nacht getroffen habe, ich habe mir dafür Zeit gelassen. Mein Interesse an Wettkämpfen hat sich 2018/2019 verändert, ich habe damals schon darüber nachgedacht, was mir wirklich Spaß macht und was ich machen will. Aber erst, als quasi alles wegen Corona gestoppt war, hatte ich die Zeit, um zu reflektieren und mir zu überlegen, was meine Optionen sind. Ich hab mich immer besser beim Windsurfen und auf Tour gefühlt, wenn das nicht mein einziger Fokus war. Als ich noch vor und nach den Events gearbeitet oder auch während der Events online studiert habe, habe ich auch das genossen. Ich wollte einfach soviel Flexibilität und Optionen wie möglich zwischen Arbeit, Lifestyle und Windsurfen schaffen.
Es ist seltsam, von einem Voll-Profi zu einem normalen Surfer mit normalem Job zu werden.”
Ich liebe es, hier in Westaustralien zu sein – und Familie und Freunde für die Hälfte des Jahres wegen der Wettkämpfe zu verlassen, war immer schwierig für mich. Ich habe es sehr genossen, zu reisen und an Wettkämpfen teilzunehmen – und weiß es sehr zu schätzen, das tun zu können. Aber ich will mich jetzt auf andere Dinge konzentrieren. Es war eine harte Entscheidung für mich. Es ist seltsam, von einem Vollzeitprofi, der dafür bezahlt wird, windsurfen zu gehen, zu jemandem, der in einem normalen Job Vollzeit arbeitet, zu werden. Aber egal, wie schwierig es wird: Es ist gut zu wissen, dass es meine Entscheidung ist und ich auch andere Optionen im Leben habe, die ich mit Leidenschaft betreiben kann. Beim Windsurfen will ich jetzt einfach nur Spaß haben und mich selber pushen, mich verbessern – und so gut zu surfen wie möglich. Nur halt einfach ohne Wettkämpfe. Ich schließe aber auch nicht völlig aus, dass ich noch mal den einen oder anderen Wettkampf bestreiten werde. Aber eben nur, wenn mir danach ist. Momentan fühlt es sich ganz gut an, ich mache einfach, worauf ich Lust habe.
Dazu kommt, dass du dich im Oktober 2019 am Knie verletzt hast. Was war passiert, und bist du wieder komplett fit?
Ich war gerade wieder zurück in Australien, um Material zu holen und mich auf den World Cup auf Maui vorzubereiten. Ich war eine Runde surfen und hab einen Forwardloop zu hart gelandet, wobei mein Fuß aus den Schlaufen gerutscht ist und ich mir dabei im rechten Knie das Innen- und Kreuzband sowie den Meniskus verletzt habe. Ich wusste direkt, dass es eine langwierige Sache wird. Ende 2019 war ein ziemlich bedeutender Teil meines Lebens mit vielen großen Veränderungen und ein paar Hürden, die ich bewältigen musste. Die Verletzung war nur eine davon. Ich habe immer daran geglaubt, dass ich nach einer Verletzung besser als vorher zurückkommen werde, und so war es auch bei dieser. Verletzungen geben einem Zeit nachzudenken und bringen einem bei, Geduld zu haben und Rückschläge zu überwinden.
Du hast es angesprochen, eventuell doch noch mal an Wettkämpfen teilzunehmen. Irgendwelche konkreten Pläne?
Ich denke, ich werde einen der lokalen Events hier in Westaustralien fahren. Die Windsurfing Western Australia Events sind nicht so verbissen, es macht einfach auch Spaß, alle wiederzutreffen. Falls es 2023 auf der Tour gute Events gibt, werde ich vielleicht eine Wildcard beantragen – aber mal abwarten. Irgendwie bedeutet es mir nicht mehr genug, irgendwo hinzureisen und sich nur noch auf den Wettkampf zu konzentrieren. Ich reise da lieber mit Freunden und surfe zusammen mit ihnen den ganzen Tag…
Was machst du denn jetzt beruflich?
Etwas, über das ich schon lange nachgedacht habe, aber was einen ziemlichen Einsatz erfordert: die Feuerbekämpfung. Als ich so viel gereist bin und die World Cups gefahren bin, war es irgendwie nicht der richtige Zeitpunkt, um Feuerwehrmann zu werden. Aber 2020 habe ich das Auswahlverfahren begonnen und hatte Glück, für 2021 ausgewählt zu werden. Ich bin jetzt ja noch nicht lange dabei, aber es ist ein wirklich toller Job, der einem auch eine tolle Work-Life-Balance ermöglicht. Es ist eine abwechslungsreiche Aufgabe, und ich habe das Gefühl, ständig dazuzulernen. Es macht mir richtig Spaß und ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit für diesen Beruf bekommen habe.
Du bist auch bei Severne in die Brettentwicklung eingebunden, gerade jetzt kam dein Pro Model raus. Erzähl uns bitte darüber.
Ja, Dad (Mark Stone, Stone Surf, Anm. d. Red.) hat als Shaper in den Neunzigerjahren mit ziemlich extremen Designs wie dem Wave Scalpel und auch asymmetrischen Boards gearbeitet. Wir haben seitdem ziemlich viel gelernt und uns weiterentwickelt, aber hatten den Plan, einige alte Ideen aufzugreifen, wenn auch mit Fingerspitzengefühl. Das Design und die Ideen hinter unseren Boards war schon immer einfach – und ganz wich- tig war, dass sich ein Board einfach fahren lässt. Es ist so designed, dass egal, auf welchem Level du surfst, du dich damit verbessern kannst. Wir sind von meinem Lieblingsboard ausgegangen und haben da einige der früheren Konzepte eingearbeitet, um es leicht zu verbessern. Speziell für Port-Tack-Bedingungen (Wind von links, Anm. d. Red.), wie ich sie hier zu 90 Prozent habe. Wir haben ein dünneres Rail und eine tiefere Konkave auf der Bottom-Turn-Seite gestaltet, um besser durch den Chop zu kommen und einen besseren Grip zu ermöglichen. Für den Top Turn haben wir das Rail verkürzt, so wurde aus dem symmetrischen Swallow Tail ein asymmetrisches S-Tail.
Die kurze Seite hilft bei engeren Top Turns, die längere sorgt für mehr Rail im Wasser beim Bottom Turn. Auch der Radius der Rails wurde auf jeder Seite entsprechend angepasst. Wir haben eigentlich gedacht, dass das Board am besten bei Down-the-Line-Bedingungen funktioniert, aber haben herausgefunden, dass das Design sogar bei Onshore-Bedingungen Vorteile bringt. Es ist eine unendliche Geschichte, aber in Kurzform: Das Board ist speziell für eine bestimmte Windrichtung abgestimmt, aber funktioniert auch bei der anderen Windrichtung. Ich bin in diesem Winter mehrfach bei Wind von rechts hier in Westaustralien gesurft, auch da hat die Port-Tack-Version viel Spaß gemacht.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich will einfach genießen, was ich tue, wo und mit wem ich unterwegs bin. Ich freue mich darauf mehr zu lernen, so viel zu windsurfen, zu surfen und zu tauchen wie möglich. Ich hab ein wunderschönes Zuhause mit etwas Land, und meine Partnerin und ich arbeiten viel daran. Wir bauen unser eigenes Gemüse und Obst an, haben Tiere. Jetzt, wo ich etwas mehr Zeit habe mit meinem Job, hoffe ich auch bald wieder mehr Windsurfaction zu filmen. Mal abwarten, was passiert…