Als Schüler spielte Alex Maucher noch mit Rainer „Calli“ Calmund Fußball, dann ging’s mit Hockey weiter. Zum Windsurfen brachte ihn sein Freund und 420er-Segler Tom Siefer, der 1971 in der Seglerzeitschrift „YACHT“ ein Foto von Hoyle Schweitzer beim Windsurfen sah. Das war die Initialzündung, die bei Alex nun schon fast 50 Jahre die Flamme fürs Windsurfen am Brennen hält.
Ein Einstieg gleich mit einem Eigenbau, wie ging das denn damals?
Tom hat dieses Foto als Vorlage benutzt für ein geniales rotes Custom Made aus GFK. 3,55 Meter lang, 71 Zentimeter breit, noch ohne Schwert, aber mit riesiger Finne und einer Mastschiene. Am Holzmast hatte Tom eine Vorhangschiene aufgeschraubt, an der das selbstgenähte Segel wie eine Gardine hochgezogen wurde. Der Gabelbaum hatte sogar schon Trimmrollen.
War nun Calle Schmidt auf Sylt Deutschlands erster Windsurfer oder du?
Es dürfte sich zeitlich überlagert haben. Der Pionier war mein Freund Tom Siefer, damals erst 18 Jahre alt. Er stieg als Erster auf das selbstgebaute Brett, mit dem ich im Frühjahr 1972 auf dem Biggesee früh Bekanntschaft machte. Die Sensation war zunächst mal, dass es überhaupt funktionierte. Alle Zuschauer waren fasziniert und mir war sofort klar, dass ich das erlernen wollte.
Wenig später soll Köln bereits die Windsurf-Premiere erlebt haben?
Auf dem Decksteiner Weiher in Köln sahen uns die Spaziergänger abwechselnd „surfen und schwimmen“. Ich hatte mich nun mit 50 Prozent am Brett beteiligt, so dass ich nicht vor jeder Fahrt darum betteln musste.
Dann soll Calle Schmidt ins Spiel gekommen sein.
Im Sommer 1972 sah Familie Siefer im „Handelsblatt“ ein Interview mit Calle. Er erklärte den Sport und kündigte für den Herbst eine Regatta auf Sylt an.
Du und Tom, nichts wie hin?
Wir stürmten mit meinem Mini nach Sylt, kauften für 800 Mark einen weißen US-Windsurfer von Calle und stürzten uns in die Brandung. Natürlich brachten wir keinen Fuß aufs Brett, waren aber total angefressen. Jetzt musste das Ding mit uns zurück nach Köln. Mit meinem Anorak als Unterlage und mit Kniebandagen banden wir das Brett aufs Mini-Dach und zuckelten mit 80 Sachen zurück ins Rheinland.
Wo folgte dein nächster Auftritt?
Mein erstes Revier war der Decksteiner Weiher in einem Kölner Park vor dem Geißbockheim des 1. FC Köln. Ich habe im tiefen Winter und bei Schneetreiben geübt. Autofahrer hielten an und es gab Verkehrsstaus. Das Interesse war verblüffend.
Traf sich auf der Düsseldorfer „boot“ im Januar 1973 dann schon eine Szene?
Szene wäre übertrieben, aber am Stand von Importeur Calle Schmidt war die Hölle los. Ich glaube, der verkaufte auf der Messe in einer Woche über 300 Windsurfer. Dort lernte ich auch Manfred Charchulla, einen von den Twins, kennen. Ich nahm ihn mit nach Köln, stellte ihn dort am Decksteiner Weiher und später noch auf dem Liblarer See aufs Brett. Im tiefsten Winter!
Bei der legendären ersten Windsurfer-Europameisterschaft auf Sylt im Herbst 1973 musstest du auch dabei sein. Hast du was gerissen?
Natürlich nicht. Unter den 130 Teilnehmern waren da schon einige Koryphäen wie Derk Thijs, Ernstfried Prade oder Peter Kleinwächter, die abgeräumt haben. Mein Freund Tom Siefer allerdings kam in die Top-10, bei mir lief es mit Rang 64 nicht ganz so gut. Ich konnte aber einen jungen Local, der später noch ein erfolgreicher Profi wurde, um drei Plätze hinter mir lassen – Jürgen Hönscheid. Auch die Charchullas landeten hinter mir. Wir haben damals mit einer kleinen Super-8-Kamera einen sehenswerten Film gedreht. Da sind die Twins mit ihren Gitarren drauf. Spiegel online hat ihn im Internet unter „Windsurf-Pioniere: Ziiisch“ publiziert.
Warum wurde es dann in den nächsten zwei Jahren ruhiger um dich?
Ich musste mein Medizinstudium abschließen, das hatte Priorität.
Aber im Westen explodierte schon die Szene?
Kann man so sagen, überall schossen im Rheinland Schulen und Shops aus dem Boden. Leider hörte man aber gleichzeitig immer öfter von Revierverboten. Wir starteten Unterschriftaktionen, mussten uns organisieren, um dagegen anzukämpfen. Ich ergriff die Initiative, am 29. August 1976 gründeten wir die Rheinische Windsurfing Gemeinschaft. „Wer am lautesten brüllt, den nehmen wir“, unter dem Motto wurde ich auch gleich zum Vorsitzenden gewählt.
Aber kurz danach bist du 1976 zur Windsurfer-WM auf die Bahmas ausgerückt?
Könnte man so sagen. Es war genial. Da lagen fast 500 neue Boards und Riggs, in jeder der vier Gewichtsklassen an die 80 Starter. Plus Damen. Ich konnte mich in der Quali bei den „Jumbos“ unter die besten 20 platzieren und kam damit in die Endläufe. Nach den fünf finalen Wettfahrten stand Robby Naish ganz oben, ich lief auf Platz 66 overall ein, aber bei den Schweren immerhin auf Rang 9. Lustig, zwei Plätze vor mir stand Michael Schanze, der bekannte TV-Moderator!
Zurück in Köln, voller Tatendrang?
Der Surfsport war noch völlig unorganisiert. Es gab zwei Strömungen, die eine wollte einen eigenen Dachverband für den neuen Sport. Ich war überzeugt von der anderen Strömung, die sich um Integration des Windsurfens in die Organisationen des Segelsportes bemühte. Nach der Gründung der RWSG wurde ich von Prof. Heinrich Schoop (Berlin) in den Windsurfing-Ausschuss des Deutschen Segler-Verbandes (DSV) berufen.
Du als Macher, als Orga-Talent, wolltest du noch mehr?
Bald übernahm ich den Vorsitz der nationalen Windglider-Klassenvereinigung. Wir haben damals eine eigene Zeitung, die Windglider News, herausgegeben. Da ich den Windglider olympisch sehen wollte, gründete ich eine internationale Klassenvereinigung und organisierte eine Weltmeisterschaft am Balaton in Ungarn, damals noch hinter dem „Eisernen Vorhang“. Der Ausgang des Unternehmens ist Geschichte. In einer Kampfabstimmung konnten wir uns anschließend in London beim internationalen Seglerverband IYRU gegen Hoyle Schweitzer und die übermächtige Windsurfer-Klassenvereinigung durchsetzen. Windglider war für 1984 olympisch.
Alles im Alleingang, oder gab’s da Unterstützung?
Bei der ganzen Aktion wurde ich von meinem Freund und Segler Heinz Staudt beraten, der als Präsident der internationalen 470er-Klasse mich in alle Zusammenhänge der internationalen Bühne einweihte.
Kurz danach gab’s Stress mit Fred Ostermann, dem Windglider-Produzenten. Was war da los?
In Palamos wurde ich 1981 von Fred Ostermann und seinen Importeuren als Windglider-Präsident abgesägt, weil ich mich gegen die Pläne der Manager und für die Interessen der Aktiven einsetzte. Meine Ideen zur Modernisierung des Windgliders konnte ich nicht mehr umsetzen. Mir schwebte in etwa das vor, was heute mit dem neuen Windsurfer LT geschafft wurde. Fred Ostermann hat sich 27 Jahre später am Wassersportsee Zülpich bei mir während einer Tandem-Regatta unter vier Augen in einem rührenden Gespräch in aller Form entschuldigt für das, was damals mit mir gemacht wurde. Es tat ihm echt leid.
Ging es 1984, nach den Olympischen Spielen in Los Angeles, mit dem Windglider sofort bergab?
Es ging gleich nach der „Nacht von Palamos“ steil bergab. Die internationale Klassenvereinigung zerfiel sofort, Windglider ging bald in die Insolvenz und die Firma wurde für viel Geld an BIC verkauft. Fred Ostermann musste sich verpflichten, nicht mehr in die Branche zurückzukehren! Er wurde Immobilienmakler. Aus der Windglider-Klasse wurde die Vereinigung Deutscher Regattasurfer (VDR), die später dann mit der Windsurfer-Klasse (DWK) zur heutigen Deutschen Windsurfing Vereinigung (DWSV) fusionierte.
Einmal Funktionär, immer Funktionär?
Es genügte uns Ende der 70er Jahre nicht, das DSV-Präsidium nur als Ausschuss zu beraten. Wir wollten einen Platz am Präsidiumstisch haben. Dazu musste aber ein zusätzlicher Sitz im Vorstand geschaffen werden, was eine Grundgesetzänderung des Verbandes voraussetzte – reine Utopie! Die RWSG, damals mit 800 Mitgliedern der größte deutsche Surfclub, hat unter meiner Führung den irrwitzigen Antrag gestellt und wir haben auf dem Seglertag in Berlin nach einer großartigen Rede von Dr. Ulli Müller-Frank (RWSG) die Abstimmung sensationell gewonnen. Das DSV-Präsidium war geschockt.
Und was hast du bewirkt?
Ich saß dann mit 32 Jahren u.a. neben dem ehemaligen Olympiasegler Ulli Libor, der als Job bei den Schütz Werken die Marke Fanatic aufbaute, im Präsidium des DSV. Ich wundere mich heute immer noch, dass wir das geschafft haben. Die Struktur bestand nach mir noch über mehr als 30 Jahre. Ich habe das Amt nach einem Jahr unter Protest niedergelegt, weil der DSV meine Initiativen nicht unterstützte. Es ging um die Zusammenarbeit mit dem Surfschul-Verband VDWS und die Führerscheine. Heute sehe ich mein Engagement im DSV als einen Misserfolg. Auch der beabsichtigte Brückenschlag zum Worldcup blieb liegen.
Ostermann hatte schon 1974 sein erstes Tandem gebaut, in Weiß mit gelber Standfläche, auch Spiegelei genannt. 1976 folgte das Windglider-Tandem mit der Hohlkehle, die ersten Tandem-Regatten wurden organisiert. Warst du damals auch gleich voll dabei?
Alles begann mit der ersten WM 1977 am Gardasee vor Malcesine. Sage und schreibe 80 Tandems! Ich war fasziniert und bin es auch heute noch. Nach dem Vorbild der Windsurfer und Windglider gründete ich die deutsche und die internationale Klassenvereinigung (DTK e.V. und ITCA). Die DTK ist heute wieder eine lebendige kleine Klassenvereinigung mit schöner eigener Homepage (www.tandemsurfing.de).
Funktionär und gleichzeitig Arzt, wie ging das denn?
In den späten 70ern und Anfang der 80er habe ich gut acht Stunden am Tag in den Surfsport investiert. In meinem Büro zu Hause standen drei Schreibtische für die unterschiedlichen Verbände. In der Universitäts-Frauenklinik Köln hatte ich ein eigenes privates Zimmer für die Nachtdienste mit Schreibmaschine, Diktiergerät und Telefon. Ich beschäftigte zwei Sekretärinnen und einen tollen Dolmetscher der Bundesregierung.
Und die berufliche Karriere?
1982 habe ich mich in eigener Praxis niedergelassen und wurde zu einem Workaholic. Ich begann damals mit dem ambulanten Operieren. Das war ein wenig so wie das Windsurfen. Es war eine völlig neue Variante. Ein Jahr später hatten zwei Kollegen in Hamburg die gleiche Idee. Wir wurden echte Pioniere, haben neue Strukturen geschaffen und wirklich etwas für die Menschen bewegt. Man kann das hier nicht im Detail ausführen, aber der Gesetzgeber ist uns gefolgt und die deutschen Krankenhäuser sind heute per Gesetz verpflichtet, ambulante Operationen anzubieten – in allen Fachgebieten! 1993 gründete ich eine eigene große Tagesklinik, in der ich immer noch tätig bin.
Blieb da noch Zeit für die Familie?
Meine Frau mit zwei kleinen Kindern kam leider zu kurz.
Zwischendurch musstest du noch die RWSG vor dem Untergang retten?
Stimmt. Irgendwann in den 90ern wollte sich die RWSG auflösen, weil sich kein Vorsitzender fand. Die erforderliche Hauptversammlung war schon zusammengekommen. Ulli Müller-Frank aktivierte mich und wir übernahmen das Amt. Er machte es ein Jahr lang, danach sollte ich es ein Jahr lang machen. Frag mich bitte nicht, wie viele Jahre es bei mir wurden. Nach gefühlt 20 Jahren habe ich den Staffelstab an Christian Hammermann weitergegeben.
Deine heimliche Liebe war aber immer das Surfen auf dem Tandem?
Schon, aber in den 80ern habe ich in allen Monoboard-Klassen Regatten gesegelt und auch mindestens eine Regatta gewonnen (Windglider, Windsurfer und Offene Klasse). Immer erfolgreich war und bin ich auf dem Tandem, egal mit welchem Partner. Offenbar kann ich das ganz gut. Zu Beginn bin ich mit Wilfried Löffeler und Markus Lorscheidt erfolgreich gewesen, vereinzelt auch mal mit Georg Lechner, mit dem ich Vize-Europameister 1979 am Gardasee wurde. Mit Jens Brock gewann ich die Deutsche Bestenermittlung am Schluchsee.
Tandemsurfen war für dich aber nicht genug. Es musste nach dem Windglider-Tandem was Modernes her. Du jetzt als Konstrukteur?
2009 begann ich das Projekt eines neuen Tandems. Fred Ostermann gab mir den Tipp, die belgische Familie Jansen mit ihrer Firma Indupol mit ins Boot zu nehmen. Die zogen Olympiasieger Stephan van den Berg und seinen Bruder Ron aus Holland hinzu, und ich finanzierte das ganze Projekt aus eigener Tasche. Ergebnis war das handgeshapte TD 580, das beste Tandem, das es je gegeben hat. Indupol gelang leider die Produktion nicht. Es wurden nur zwei Boards in Prepeg-Carbon gebaut. Der Preis für eine Serie wäre astronomisch geworden.
Wer kam dann ins Spiel?
Georg Lechner, der ja die Olympiaboards für 1988 und 1992 gebaut hatte, saß ebenfalls mal im Vorstand der internationalen Tandem-Klassenvereinigung. Mein erster Versuch, einen Herrn Lechner in Österreich um 21 Uhr zu kontaktieren, war ein Volltreffer. „Schurli“ war dran – unser erstes Gespräch nach etwa 20 Jahren. Georg war mir noch verbunden, weil ich ihm bei seinen Olympia-Bewerbungen damals wichtige Tipps geben konnte. Georg hat das Material von Indupol übernommen, meinen Original-Prototyp neu überarbeitet und sieben Tandems von Hand produziert. Wie wir wissen, hat er 2018 das Problem der Teilbarkeit genial gelöst und in den nächsten Jahren wird dieses zweigeteilte Tandem für jedermann zu einem erschwinglichen Preis erhältlich sein. Es ist leicht zu lagern und easy zu transportieren. Vor allem lassen sich die beiden Hälften einfach herstellen.
Wie sieht es aktuell bei dir aus?
Vor zwei Jahren hat eine Klinik mein Operationszentrum gekauft und mich als Leiter eingesetzt. Ich arbeite jetzt ohne wirtschaftlichen Druck im eigenen Betrieb nicht mehr als Unternehmer, sondern als Gehaltsempfänger. Das ist komfortabel!
Steht weiterhin der Spaß auf dem Tandem im Vordergrund?
Mit Abstand am meisten Freude hatte ich immer mit meinen Kumpels auf dem Tan-dem, egal ob das Wilfried Löffeler, Dirk Hoekzema, Frank Spöttel waren oder aktuell Markus Hoffmann oder Patrick Bahlke sind. Es hat zu jeder Zeit bessere Tandem-Teams gegeben als meine, aber ich konnte auch zu allen Zeiten vorne mitmischen. Ich vergleiche Tandemsurfen gerne mit dem Doppel im Tennis. Mein Freund Andy Mies hat im Einzel allenfalls die nötige Spielstärke für die 2. Bundesliga, mit seinem Partner Kevin Krawitz hat er im Team aber nun schon zweimal die French Open gewonnen und spielt für Deutschland im Davis-Cup. Das ist bei mir mit dem Tandem eine vergleichbare Geschichte.
FACTS
- Geboren: 25. März 1949
- Wohnort: Köln
- Beruf: Facharzt für Gynäkologie & Geburtshilfe
- Größe/Gewicht: 189 cm/90 Kilo
- Surft seit: 1972
- Regattadebüt: 1972 auf Sylt
- Segelnummer: GER 132
- Surfclub: Rheinische Windsurfing Gemeinschaft (RWSG)
- Erfolge: Tandem Vize-Europameister 1979 (mit Georg Lechner), 7 Siege bei Tandem-Bestenermittlungen 1978, 1979 (mit Wilfried Löffeler), 1981 (mit Markus Lorscheidt), 2010 (mit Ben Klinkhammer), 2011, 2013 und 2017 (mit Dirk Hoekzema), 2. Platz Engadiner Tandem Surf-Meisterschaft 2015 (mit Frank Spöttel), Tandem-Europameister 2018 (mit Markus Hoffmann)
- Lieblingsspot: Paros/New Golden Beach
- Hobbies: Tennis als Mannschaftssport, Ski fahren
- Privat: Seit 48 Jahren verheiratet mit Eibi, ein Sohn, eine Tochter, drei Enkel