Im weißen, mit schwarzen Streifen versehenen Skianzug von Bogner strebte die junge Württembergerin ihrer erste Sportkarriere auf zwei Brettern an. Gleichzeitig lief im Sommer noch Tennis und Fußball – und von klein auf eh schon Segeln: Denn Alisa wuchs in Kressbronn am Bodensee auf und segelte mit den Eltern im Familienboot rund um „Lake Constance“, solange sie sich erinnern kann. Dem Segelsport verschrieb sie sich schließlich ganz, nach den Anfängen auf dem Opti gings über 420er schließlich mit dem Bruder weiter auf dem 49er FX, wo die Karriere fortgesetzt wurde. Nach großen Erfolgen in dieser Segelklasse trennte sie sich vom Steuermann und wechselte in die olympische Windsurfklasse. Schließlich träumte sie schon als Klein-Alisa von einem Start bei den Olympischen Spielen. Was tun? Volles Risiko! Wie der selbstbewusste Umstieg vom Segeln aufs Foilboard beweist.
Skifahren, Tennis, Fußball, Segeln und jetzt Surfen: Bist du ein Allroundtalent, dem jede Sportart in den Schoß fällt?
Allroundtalent würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Ich habe einfach schon früh meinen Spaß am Sport entdeckt. Dadurch habe ich viele verschiedene Sportarten ausprobiert und mein Zuhause in schnellen und technischen Sportarten gefunden. Zusammen mit meinem Bruder in den gleichen Sportarten entwickelten wir den Ehrgeiz, immer besser sein zu wollen als der andere. So entstand ein Wettkampf, der uns dazu brachte, stets an unsere Höchstleistungen zu gehen – und uns motivierte, in den Wettkampfsport einzusteigen.
In drei Jahren vom Einstieg ins Windsurfen bis zur Olympia-Teilnahme: Dein Vorhaben klingt für viele Beobachter ganz schön mutig.
Ja, das stimmt. Für mich war es auch ein enorm großer Schritt raus aus dem vermeintlich sicheren Segelsport. Raus aus dem 49er FX mit vorhandener Trainingsstruktur und -material, rein in das für mich völlig unbekannte olympische Windsurfen, ohne die ganzen Trainingsstrukturen und -materialien. Im ersten Moment ist das ein großer Schritt, den ich aber mit Hilfe meines privaten Umfeldes sowie meinem Verein und Verband bis jetzt gut stemmen konnte.
Du hast im Windsurfen bei Null angefangen. Erzähl doch mal deine Etappen.
Angefangen hat alles mit der Entscheidung, im Herbst 2020 vom Segeln auf das iQFOiL zu wechseln. Meine erste Etappe war Ende Oktober mit den ersten Schritten auf einem Anfängerbrett mit 4,7er Wave-Segel. Ich habe mir die Grundschritte für die verschiedenen Manöver angeeignet. Weiter mit der zweiten Etappe ging es erst Mitte Dezember in Portugal. Nachdem ich zwei Tage auf dem Anfängerbrett im Oktober geübt hatte, stellte ich mich direkt auf das iQFOiL-Material und ging aufs Wasser. Nach vielen Stürzen, oftmaligem Wasserschlucken und dem Erlernen des Handlings war ich Mitte März in Kiel zurück und hatte auch schon meine erste gefoilte Halse gestanden. Die dritte Etappe war meine erste iQFOiL-Regatta, was auch gleichzeitig meine erste richtige Regatta im Windsurfen war. Mit der WM am Silvaplaner See 2021 war das die schwierigste Meisterschaft zum Anfangen. Über 70 Damen auf dem Regattafeld, ein begrenzter Raum auf dem See und viele Manöver: die erste Härteprobe in meiner neuen Disziplin. Im Winter 2021/22 folgten dann zwei Monate in Kapstadt, iQFOiL-Training und das erste Mal in die Welle mit kurzem Brett.
Wie war der Umstieg vom 49er FX zum iQFOiL? Beides ja sehr technische Geräte.
Na ja, es sind beides komplett unterschiedliche Sportarten. Der wohl größte Unterschied ist, dass ich im Segeln im Team unterwegs war. Das heißt: zusammen eine Einheit auf dem Boot bilden und Entscheidungen treffen. Als Team musst du perfekt abgestimmt sein, alle Bewegungen müssen genau zueinanderpassen. Bei iQFOiL bin ich alleine auf dem Board und entscheide selber. Außerdem fliege ich über das Wasser und halte nur mit dem Foil den Kontakt zum Wasser. Für mich war es das Erlernen einer komplett neuen Sportart. Andere Materialien, andere Bewegungen und auch andere sportliche Anforderungen zeichneten meinen Umstieg vom 49er FX in das Windsurfen. Für mich ist die neue Klasse noch mal schneller, intensiver und herausfordernder. Alles, was mir besonders liegt und Spaß macht.
Ohne Unterstützung ist die Olympia-Kampagne kaum möglich. Wer fördert dich?
Die größte Unterstützung aktuell – aber auch schon mein ganzes Leben – erfahre ich von meiner Familie. Meine Eltern haben einen großen Teil ihrer Zeit dafür aufgewendet, meinen Bruder und mich beim Training und bei den Wettkämpfen zu fördern und zu betreuen. Außerdem unterstützen sie finanziell, so gut es möglich ist. Mit Patrick Böhmer als Trainer und Freund habe ich einen weiteren Förderer, der mich schon seit meinem Umstieg ins Windsurfen mit Trainingsmöglichkeiten, Beratung und bei der Organisation unterstützt. Der Württembergische Yacht-Club und der Landessegler-Verband Baden-Württemberg steuern einen weiteren wichtigen Beitrag zu meinem Projekt bei, was mir den hohen Umfang beim Training überhaupt erst ermöglicht. Seit diesem Jahr habe ich eine weitere Kooperation mit XCEL in Kiel, die mich mit Neopren ausstatten.
Im Skisport und im Tennis bist du auf hoher Leistungsebene in den Landeskadern gefördert worden. Wie sieht es im iQFOiL-Surfen aus?
Im iQFOiL bin ich im Landeskader von Baden-Württemberg.
Der Deutsche Seglerverband ist bis jetzt noch nicht daran beteiligt. Kommt das noch?
Wenn ich die Kaderkriterien bei der WM im Herbst 2022 erreiche, kann ich vielleicht in den Kader berufen werden und damit auch vom DSV nach den aktuellen Möglichkeiten unterstützt werden.
Welche deutschen Damen werden deine schärfsten Konkurrentinnen im Kampf um den einzigen Olympia-Startplatz sein?
Meine stärksten Konkurrentinnen sind die DSV-Sportlerinnen Lena Erdil und Theresa Steinlein. Der Kampf um den Startplatz spielt sich aber für uns viel mehr mit anderen Starterinnen aus den vielen verschiedenen Nationen ab. Für die Olympischen Spiele müssen wir Deutschland erst einmal gegen die anderen Nationen qualifizieren, erst dann haben wir einen Startplatz. Ich denke, das ist erst mal die größte Hürde.
Wie ist das Verhältnis untereinander? Trainiert ihr auch zusammen?
Aktuell trainiere ich überwiegend alleine mit meinem Coach Patrick Böhmer. Mit diesem Training können wir die Inhalte optimal auf mich anpassen, um schnell Fortschritte zu erzielen. Außerdem entsteht so eine hundertprozentige Aufmerksamkeit vom Trainer bei Rennen und im Training. Das Verhältnis zu den anderen deutschen Fahrerinnen befindet sich aktuell auf der Ebene einer freundschaftlichen Bekanntschaft. Da wir bis jetzt noch nicht viel zusammen trainiert haben, kennen wir uns persönlich noch nicht so wirklich gut. Mehr so vom Sehen bei Events. Für Wassereinheiten besteht immer wieder mal das Angebot von der DSV-Trainerin (die Red.: Olga Maslivets), dass ich mit den anderen Deutschen mittrainieren kann. Das nutze ich auch an ganz bestimmten Tagen, um vor allem viel mehr Trainingsrennen zu fahren.
Du hast einen klaren Fahrplan auf deiner Webseite veröffentlicht, wie es zu den Spielen in Paris bzw. Marseille 2024 gehen soll. Wie sehen die Etappen in den nächsten drei Jahren aus?
Dieses Jahr will ich den Anschluss an die Weltspitze herstellen und in die Top-25 surfen, bei einigen Regatten an die Top-15 ranschnuppern. 2023 soll es dann in die Top-8 der Welt gehen und in der deutschen Quali die Olympia-Fahrkarte lösen.
Wenn‘s nicht klappen sollte, was dann?
Dann ist meine Kampagne für 2024 die beste Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.
Facts über Alisa Engelmann
- Alter: 22 Jahre
- Geboren: 17.6.1999
- Wohnort: Kiel
- Beruf: Studentin Sportmanagement
- Größe/Gewicht: 170 cm/68 kg
- Segelt seit:/Surft seit: 2009/2020
- Regatta-Debüt Segeln/Surfen: 2010/2021
- Segelnummer: GER 369
- Club: Württembergischer Yacht-Club
- Erfolge Segeln 49er FX: Deutsche Meisterin 2017; Deutsche Junioren-Meisterin 2019; Vize-Junioren-Europameisterin 2019
- Erfolge Surfen iQFOiL: 52. Platz Weltmeisterschaft Silvaplana 2021; 3. Platz Intern. Deutsche Meisterschaft Kiel 2021; 9. Platz iQFOiL Games Cadiz 2022; 15. Platz French Olympic Week Hyères 2022
- Lieblingsspots: Grönwohld, Südafrika
- Hobbies: Skifahren, Wassersport, Tennis, Fußball, Musik
- Unterstützer: Eltern, Württembergischer Yacht-Club, Landessegler-Verband Baden-Württemberg, Segelsport Grönwohld
Social: Alisa Engelmann