In Bayern wird ein Erfinder auch gerne als „oida Diftla“, was auf Hochdeutsch sowas wie alter Tüftler heißt, bezeichnet Das ganze Leben von Ernstfried Prade besteht eigentlich aus Erfinden, knapp 50 Patente besitzt der 74-Jährige. Die meisten zu den Themen Windsurfing und SUP. Eines kennt jeder, das m mit dem roten Punkt, das Red Dot von Mistral. Ein Designerleben im Schnelldurchgang.
“Wieviele Seiten Umfang bekommt das Interview“, will Ernstfried Prade wissen, als wir uns zum Termin fürs Interview verabreden. „So sieben bis acht, schätz ich“, war meine Antwort. „Ob des reicht“, höre ich den fragenden Augenaufschlag. „Muss“, geb ich zurück, „also fassen wir uns kurz.“ Leicht gesagt, wenn man das Lebenswerk eines Mannes, der seit 1973 als Regattasurfer, Fotograf, Grafiker, Buchautor, Boarddesigner, Produktmanager und Erfinder Windsurfen und Stand-up-Paddling wesentlich beeinflusst hat, im Zeitraffer darstellen soll.
Von Null zum Meister
Ursprünglich warst du Maschinenbautechniker, bist dann auf Grafiker umgestiegen. Wie kamst du aufs Windsurfen?
In einer Hauszeitschrift von DuPont (die Red.: Kunststoff-Konzern) hab ich Ende 1972 einen Artikel über ein Windsurfbrett eines Amerikaners gelesen. Als aktiver Segler war ich sehr erstaunt und konnte mir nicht vorstellen, dass das funktionieren sollte. Im Frühjahr 1973 habe ich mir dann so ein Board gekauft.
Damals gab’s noch keine Surfschulen. Von wem kamen dann Tipps?
Ich bin mit dem Windsurfer drei Wochen nach Biarritz an den Atlantik gefahren, und zuerst einmal das Aufstehen und das Mich-auf-dem-Brett-halten geübt. Bei dem Swell dort war das mit viel Baden verbunden.
Ging es dann auch mal mit dem Rigg zur Sache?
Ich bin mit dem zusammengerollten Segel erst einmal durch die Brandung geschwommen, habe mich dann draußen mit einer Schnur an einen Ponton gehängt, an dem normalerweise Öltanker anlegen, und einige Stunden mit dem Auf und Ab der Wellen verbracht. Dann, immer noch an der Schnur hängend, habe ich angefangen mit dem Segel zu arbeiten. Nach Tagen schrie ich vor Freude, denn ich hatte das Board und Segel im Griff.
Kaum zurück, bist du am Starnberger See Bayerischer Meister geworden. Warst du soviel besser als die anderen?
Klar, nach drei Wochen Training am Atlantik war ich in der Lage auf einem Bein zu surfen.
Am Chiemsee im Herbst folgte schon die allererste Deutsche Windsurfer-Meisterschaft. Der nächste Titel?
Ja, die DM war gar nicht so einfach zu gewinnen. Es war doch ein großes Teilnehmerfeld, alles dicht auf dicht, sehr wenig Wind, und ich musste mich ziemlich konzentrieren um die notwendigen Wettfahrten zu gewinnen.
Zwei Wochen drauf folgte Sylt mit der Europameisterschaft. Der nächste legendäre Wettbewerb.
Auf Sylt ging es dann direkt zur Sache bei sechs Windstärken und 130 Teilnehmern aus ganz Europa. Nach hartem Kampf mit dem jungen Holländer Derk Thijs und Thor Bakke aus Norwegen konnte ich Vize-Europameister werden. Das Kuriose war, dass wir, die drei Ersten, auch die Leichtesten waren. Ich erinnere mich, wie wir auf Amwindkurs pfeilschnell an den schweren Muskelpaketen vorbeigezogen. Unmittelbar nach der Europameisterschaft wurden die Gewichtsklassen eingeführt.
Als Prämie soll auch ein toller Preis gelockt haben?
Vier Wochen USA bei der Familie von Windsurfer-Produzent Hoyle Schweitzer mit interessanten Gesprächen, dort hab ich ihm auch gleich die ersten Verbesserungen vorgeschlagen. Schweitzer wollte aber nicht, der Windsurfer sollte als One Design Class unverändert bleiben.
Auch die nächste DM 1974 in Kiel, bei Starkwind, wurde deine Beute.
In diesen ersten Jahren bin ich sehr viel gesurft. Regatten hatten es mir angetan, so dass ich auch diese Meisterschaft gewinnen konnte. Direkt danach habe ich mich aber der Ausbildung und Schulung zugewendet und am Starnberger See meine eigene Surfschule eröffnet.
Windsurfing Magazin und Surfschulen
Über Dirk Brockhaus hast du Kontakt zu Peter Brockhaus bekommen, der gleich groß als Importeur in den Sport einstieg und das Windsurfing Magazin gründete. Zusammen mit dir?
Ich war Fotograf, Redakteur und Grafiker in einer Person. An meinem Küchentisch in Münsing hab ich das Layout gebastelt, noch spartanisch ganz in Schwarz-Weiß. Erst ab Mitte 1975 wurde das Magazin farbig.
Gleichzeitig hast du auch ein Netz von Surfschulen gegründet?
Klar, der Sport kam allmählich ins Laufen. Alle wollten Windsurfen lernen. Ludwig Graf von Seyssel war damals Windsurfer-Importeur für Bayern. Mit ihm zusammen haben wir die Bayerischen Windsurfing Schulen gegründet: Starnberger See, Ammersee, Chiemsee, Hopfensee, Waginger See.
Da war der Weg zur VDWS-Gründung nicht mehr weit, oder?
Ein nächster logischer Schritt war die Gründung eines deutschlandweiten Schulverbandes, den ein kleines Häufchen mit Gerd Falk, Dagobert Benz und mir aus der Taufe gehoben hat. In den ersten beiden Jahren als zweiter Vorsitzender habe ich danach in 15 erfolgreichen Jahren als Präsident mit tollen engagierten Mitstreitern den größten weltweiten Wassersport- Schulverband geformt. Darauf bin ich heute noch stolz.
Gab’s damals ein Motto?
„Erst lernen, dann kaufen“. Jeder sollte in fünf Stunden die Basics erlernen, damit den Grundschein erwerben und erst dann ein Brett kaufen.
Bücher, Bücher, Bücher
Du hast dann deine Ideen auch zu Papier gebracht.
Durch die Tätigkeit im Verband und als engagierter Fotograf und Grafiker gelang es mir bereits 1975, ein erstes umfassendes Schulungsbuch zu verfassen. „Windsurfing – den Wind in den Händen“ war der Titel. Das Buch verkaufte sich wie geschnitten Brot, wurde in mehrere Sprachen übersetzt, sogar in Russisch. Ich konnte eine Zeitlang sogar gut von den Tantiemen leben.
Wie viele Bücher folgten noch?
In diesen Jahren habe ich Surfen zu meinem Beruf gemacht. Als Konstrukteur und Designer für Surf- und Windsurfboards habe ich über viele Monate Grundlagenforschung betrieben und damit auch mehrere andere Bücher verfasst, die sich sowohl mit der Konstruktion von Surfboards, als auch mit der fortgeschrittenen Schulung des Windsurfens befassten.
Der erste Bretter-Test
Im Sommer 1976 rief das Windsurfing Magazin, zusammen mit der Seglerzeitschrift Yacht, zum ersten Segelbrett-Test an den Gardasee. Du warst Testleiter?
Zusammen mit Dr. Richard Hämmerle, der den Test wissenschaftlich betreute. Neben mir und Peter Brockhaus surften noch Karl-Heinz Stickl, Malte Simmer, Uli Stanciu und Sigi Hofmann als Tester.
Was kamen für Erkenntnisse aufs Papier?
Neben den Fahrkriterien wie Höhelaufen, Richtungsstabilität, Unterschneiden wurden auch Speedvergleiche mit den sieben Boards gefahren. Dazu kamen noch Beurteilungen wie Handling beim Transport, Rutschfestigkeit der Brettoberfläche, Anordnung der Segelfenster oder Griffigkeit des Gabelbaums.
Und der Testsieger hieß?
Speedy, ein leichter GFK-Nachbau des Windsurfers aus der Schweiz, hatte die Nase knapp vorn vor den punktgleichen Windsurfer und Windglider. Wichtiger aber waren unsere Erkenntnisse, was an Boards und Riggs alles noch verbessert werden könnte.
Mistral revolutioniert den Markt
Wie kam es zur Mistral-Gründung?
Heinz G. Bader, der eine Kunststoffproduktion in der Schweiz besaß und schon mit dem Scobalit Windrider seit 1975 Boards herstellte, sprach Brockhaus und mich vor dem Hotel Lido Blu am Gardasee an, ob wir nicht an einer Zusammenarbeit für eine neue Marke interessiert wären.
Brockhaus war zu der Zeit noch Windsurfer-Importeur. Wie ging das zusammen?
Wir alle waren in den ersten Jahren begeisterte Anhänger des original Windsurfers, aber natürlich lockte die Chance, ein eigenes Board auf den Markt zu bringen und auch unsere eigenen Wünsche zu verwirklichen, so dass Brockhaus und ich Herrn Bader sofort zusagten.
Wer fand den Namen, wer kreierte das m-Logo mit dem roten Punkt?
Sowohl Namen als auch Logo sind von mir, auch wenn Peter Brockhaus schon mal das Gegenteil behauptete. Eine meiner ersten Amtshandlungen war als professioneller Designer den Firmennamen sowie ein Logo zu entwickeln. Schon vorher habe ich ein Sturmsegel designt, das in Deutschland hergestellt wurde, in das ich den Namen Mistral draufdrucken ließ. Es lag nahe für mich, diesen Namen eines der schönsten Winde für unser neues Unternehmen auszuwählen. Das Logo war wesentlich schwieriger. Erst nach einer ganzen Reihe von Entwürfen kam mir die Idee, den „i“-Punkt auf den Anfangsbuchstaben „m“ zu setzen. Einfach und markant, das „m“ mit dem roten Punkt war geboren.
Das erste Fotoshooting habt ihr während der Windsurfer-WM 1976 auf den Bahamas getätigt. Direkt vor Hoyle Schweitzers Nase. War das nicht ein bisschen frech?
Zu dieser Zeit gab es ja schon eine ganze Reihe Surfboards neben dem Windsurfer. Ein weiteres sollte durch uns hinzukommen. Natürlich haben wir da auf dem Bahamas-WM-Trip auch gleich Fotos von unseren Boards gemacht.
Wie waren die Aufgaben bei Mistral verteilt?
Bader steuerte die Produktion, Brockhaus war fürs Marketing zuständig und ich kümmerte mich als Produktmanager für die Entwicklung und das Design von Boards, Riggs und Zube- hör. Schon vor unserer Gründung hatte ich umfangreiche Ausarbeitungen zu einem neuen Surfboard zu Papier gebracht. Das war mein Beitrag zur Gründung der Firma Mistral. Ein vollkommen neuartiger Gabelbaum, vorne mit einem Griff, der gleichzeitig bei den häufigen Schleuderstürzen das Board abfedernd schonte. Eine Klappfinne, zu der ich die Idee auf Sylt bekam, als dem Helmut Kirner ein halbes Ohr durch eine feststehende Finne abgefahren wurde. Ein Klappschwert, das den Raumschotkurs erleichterte. Die Krönung meiner Erfindungen aber war ein feststellbarer Mastfuß, der sich durch eine einstellbare Kraft vom Board trennen ließ. Weltweit hat dieses Patent Millionen in die Mistral-Kassen gespült. 20 Jahre lang musste jede Segelbrett-Marke dafür Lizenzgebühren bezahlen.
Nach außen trat aber immer Peter Brockhaus als großer Mistral-Boss auf. War er das wirklich?
Brockhaus war ein begnadeter Marketing-Mann. Die rasche Ausbreitung des Windsurfingsportes, den man mit Recht auch die Mutter aller Funsportarten nennt, ging auf sein Konto. Aber wie bei allen Genies war auch bei Brockhaus so manche Fehlzündung dabei. In seinem unglaublichen Vorwärtsdrang hat er sich oft selbst überholt. Alles war ihm zu träge und langsam, deshalb hat er sich auch frühzeitig von Mistral getrennt, um eigene Wege mit F2 zu gehen.
Das erste Mistral-Brett, der Allround, hatte zu wenig Volumen, war aber mit den Verbesserungen eine Revolution. Allerdings sorgte schon bald die schwarze Leiste über den Klebekanten der beiden Halbschalen für reichlich Ärger, denn sie fiel ab. Man sprach von Trauerrand?
Das ist richtig. Wie so oft bei einer neuartigen Produktion wurde ein Tiefziehverfahren gewählt, bei dem eine scharfe Außenkante an den Boards vorhanden war. Diese musste kaschiert werden. Außerdem war dieses erste Mistral-Board sehr schwer.
Sorgte dein zweites Brett-Design, der Mistral Competition, mit mehr Volumen dann für den erwünschten Erfolg?
Wir haben frühzeitig die Problematik erkannt und mit einem ungeheuren Arbeitsaufwand in kürzester Zeit den legendären Competition geschaffen. Über den Winter hatte ich am Starnberger See einen leerstehenden Wirtshaussaal gemietet und dort die Competition-Prototypen geshapt, der dann zu einem Hit wurde. Bei weltweit 270.000 verkauften Boards in drei Technologien kann man schon von Erfolg sprechen, oder? Im ersten Jahr verkauften wir bereits 6000 Stück.
Neben Boards hat Mistral auch beim Zubehör z.B. Neopren mit Innovationen für Aufmerksamkeit gesorgt?
Man kannte nur die schwarzen Anzüge der Taucher, die zweckentfremdet und mit viel zu wenig Bewegungsfreiheit zum Windsurfen verwendet wurden. Damit war Schluss: farbig kaschiertes Neopren war bei Mistral angesagt. Unser in Dunkelblau glänzender Langarm-Neo 600 hatte am Oberarm rechts einen grünen und links einen roten Punkt – ein weiteres Patent von mir. Wenn der Arm mit dem grünen Punkt vorn am Gabelbaum war, wusste der Surfer sofort: Ich hab Vorfahrt. Der Anzug war im Nu ausverkauft. Dazu erfanden wir die dünnen Lycra-Anzüge für den Sommer, die sofort ein weltweiter Schlager wurden.
Teamrider Robby Naish
1979 wurde Robby Naish und sein Vater Rick Naish ins Mistral-Team geholt. Wer hatte die Idee?
Vom Wunderknaben Robby Naish haben wir frühzeitig erfahren und anlässlich eines Besuches von Peter Brockhaus auf Hawaii hat dieser ihn unter Vertrag genommen. Dies war wohl eine der glücklichsten Mistral-Entscheidungen der ersten Jahre. Robby Naish, dessen Charisma bis heute weltweit im Windsurfen, Kiten, SUPen und jetzt auch im Foilen unerreicht ist, hat Gaastra, unserem Segelmacher, und Mistral die notwendigen Impulse gegeben, in kürzester Zeit zum Weltmarktführer zu avancieren.
Rick Naish und Harold Iggy waren bald als Shaper aktiv? Die Designs kamen von dir, oder?
Robby hatte seinen kometenhaften Aufstieg und seine sportlichen Erfolge seinen Eltern zu verdanken, da seine Mutter Carol ihn liebevoll und zielgerichtet erzog. Und sein Vater Rick Naish mit seinem Shaper Iggy sorgten dafür, dass Robby von Anfang an die weltbesten Boardshapes unter seine Füße bekam. Es war daher fast schon selbstverständlich, dass auch Rick Naish ein Vertrag angeboten wurde, auf den er einging, um dann seine original Naish-Shapes Mistral anzubieten. Meine Aufgabe als Produktmanager bestand darin, die notwendigen Daten des Marktes an Rick Naish weiterzugeben, so dass dieser in der Lage war, die Shapes zu produzieren, auf die der Markt gewartet hatte. In einer einzigartigen Symbiose zwischen Robby, Rick und Iggy, entstanden die legendären Mistral-Boards der 80er-Jahre.
Mit Kailua und Naish folgten die ersten Hawaii-Designs, später kamen dann so Top-Seller wie Hookipa, Screamer, Equipe dazu.
Für das legendäre Naish-Board musste das surf Magazin extra die Note „Triple plus“ einrichten, weil seine Geschwindigkeit alles am Markt befindliche weit übertraf. Auch Hookipa, Screamer und andere Boards erreichten beachtliche Verkaufszahlen
Die Meetings waren zuerst auf Oahu, später als Robby umzog, auf Maui. Wie oft warst du dort?
Zumeist arbeiteten wir in dem kleinen Ort Kailua, wo Rick seine Shaperäume hatte und mit Carol einen Windsurfshop betrieb.
Auf Oahu sollst du mal mit dem US-Präsidenten Jimmy Carter zusammen- gekommen sein? Wie ging das denn?
Jimmy Carter wollte damals auf einem Stopover nach Japan einen Tag lang ungestört in einem der schönsten Häuser Hawaiis Ruhe finden. Das Weiße Haus in Washington hatte Miss Mac Shane, der das Haus gehörte, schriftlich angefragt, um es für den Präsidenten für einen Tag zu reservieren. Zu diesem Zeitpunkt wohnte ich dort schon mehrere Wochen – ich war dort über 30-mal. Jedoch hatte Mac Shane diese Reservierung völlig vergessen und war zu ihrer Tochter nach Maui geflogen. So war ich mit Jimmy Carter mehrere Stunden auf der Terrasse am Meer und wohl eine der bestbewachten Personen an diesem unvergesslichen Tag. Hätte der Präsident nicht an einem Schlüsselbeinbruch laboriert, hätte ich ihm Windsurfen beibringen können.
Der M1 als Verdränger war das krasse Gegenteil zu den Funboards. Wer hat dich da im Team unterstützt?
Das Renngeschehen in Europa begeisterte uns alle. Und da natürlich die Offene Klasse, in der sich Firmen-Teams wie z.B. Sailboard, Windglider, HiFly und andere etablierten. Da konnte Mistral nicht daneben stehen. Ich habe den M1 gezeichnet, den dann mein enger Mitarbeiter Hansi Fichtner geshapt hat. Schon die ersten Testfahrten waren erfolgreich. Sofort begann die Produktion und es war möglich, einen Sieg nach dem anderen einzufahren. Angefangen mit Charly Messmer, der Mistral-Testpilot der ersten Jahre, den ich als Ein-Mann-Team nach Guadeloupe geschickt habe, der gegen eine Phalanx von 300 Teilnehmern die Weltmeisterschaft mit dem M1 gewonnen hat. Der M1 bestritt aber auch weitere legendäre Meisterschaften, wie z.B. in Israel, wo wir in allen Kategorien die ersten drei WM-Plätze belegten.
Der Challenge Flex, zusammen mit Jürgen Hönscheid entwickelt, fand keinen Absatz. War die Zeit nicht reif für dieses Konzept?
Für kurze Zeit konnte ich Jürgen Hönscheid für das Mistral Development Team begeistern. Er war gerade über dem Winter auf Oahu. Bei einer meiner Hawaii-Reisen hatte ich Mike Tinkler kennengelernt, der ein Patent auf ein Flextail bekommen hatte. Das hat sich Mistral gesichert und mit einer Flextail-Produktion begonnen, die Jürgen auf Hawaii getestet hat. Leider war der Markt für so eine Konstruktion noch nicht reif.
Dagegen war der Mistral One Design, das lange Raceboard, ein Knaller. Dein größter Design-Erfolg?
Wer war mit seinem Board schon dreimal hintereinander für die Olympischen Spiele nominiert? (die Red.: NeilPryde viermal mit dem RS:X) Weltweit wurden mehr als 50000 Stück verkauft. Das Board war im ersten Jahrzehnt 2000 immer noch erfolgreich in den Regatta-Ergebnislisten zu finden.
Mistral wird mehrmals verkauft
Mistral als Verkaufsobjekt. Zuerst ging’s zur Zeitarbeitsfirma Adia, dann zu Jacobs, weiter zu Boards and More. Ständig neue Chefs, war das zukunftsträchtig?
In der Tat hat Mistral in all diesen Jahren schwer Federn gelassen. Ständig neue Ideen haben die erfolgreich durchgeführte Kontinuität der Marke abgelöst. Das konnte nicht gutgehen. Robby Naish und ich sowie weitere wichtige Mitarbeiter haben Ende der 90er-Jahre die Marke verlassen.
Mistral unter dem Dach von Boards and More, zusammen mit Fanatic und F2, konnte das gutgehen?
In Deutschland gab es zwischen den Marken ein gewolltes und gesundes Konkurrenzverhalten. Dass da plötzlich drei vorher konkurrierende Brands aus einem Hause kamen, haben weder die Händler noch die Endverbraucher verkraftet.
Plötzlich hörte man nichts mehr von dir. Keine Lust mehr?
Zu dieser Zeit hatte ich meine Werbeagentur aufgebaut, war aber immer noch auf dem Wassersportsektor tätig. Ab 2003 habe ich wieder für Mistral, die mittlerweile in München angesiedelt war, gearbeitet. Unter anderem habe ich auch die Ausstellung „30 Jahre Windsurfen“ kreiert, die vom Gardasee aus in Deutschland und Frankreich gezeigt wurde.
Mit SUP neuer Start
Ado Huisman in Holland übernahm Mistral, gab aber 2009 die Windsurfing-Division in Lizenz an den Ex-Worldcupper Anders Bringdal ab. Ab da spielte Mistral kaum noch eine Rolle im Windsurfen. Was sind die Gründe dafür?
Windsurfen war in diesen Jahren generell schwer unter Druck. Die Verkaufszahlen gingen zurück. Umso erfreulicher ist es, dass man heute wieder von einem herzhaften Zuwachs sprechen kann, zum dem auch das SUP seinen Beitrag leistet.
Bringdal soll jetzt bei Mistral ganz raus sein? Was macht Anders nun?
Anders arbeitet heute an einem erfolgreichen elektrischen Wassertaxi.
Huismann setzte von Anfang stark auf Mode, vergab Lizenzen, aber der Neustart 2010 gelang erst mit SUP. Und mit dir wieder als Produktmanager. Glück oder Können?
Ado Huisman hat mit geschäftsmännischer Voraussicht Mistral dorthin gelenkt, wo er gute Zuwachsraten sah. Und das war zu dieser Zeit SUP. Wir bauten zuerst edle Holzboards, dann die ersten Inflatables. Ich setzte auf lange Boards, das war damals neu. Mein M1 in 12’6’’ war das weltweit erste Raceboard. Noch im selben Jahr fast zentimetergenau von 20 Firmen kopiert. Ich schob sofort noch einen 14 Fuß hinterher. Diese beiden Boards haben Mistral wieder ins Rennen gebracht. Heute hat Mistral zwölf SUP-Hardboards und 13 SUP-Inflatables sowie vier Windsurfing-Hardboards und mehrere mit Windsurfing-Option.
Aber auch die Qualität unserer Boards hat etwas zu alten Mistral-Zeiten aufgeschlossen, wie mein Leichtgewichtboard, das von Händlern und Endverbrauchern in den USA zum besten Board gewählt wurde.
Die breite Masse bekam erstmals durch den Verkauf der SUP-Boards beim Discounter LiDL wieder Kontakt mit der Marke. Wie kam es dazu, dass man die Edelmarke Mistral plötzlich in den Regalen eines Billig-Supermarktes fand?
In den letzten drei Jahren hat sich gezeigt, dass Discounter eine immer größere Rolle im SUP-Bereich spielen. Weit über 100 000 Boards kamen in den Markt, aber ohne optimale Qualität. Das wollte ich ändern. Ich bin in der International Canoe Federation (ICF) eines der sieben Mitglieder der SUP-Kommission. Ich sehe dort meine Aufgabe als Designer und Konstrukteur in der Hauptsache daran zu arbeiten, dass taugliche Produkte auf den Markt kommen, die einer breiten Bevölkerungsschicht zur Verfügung stehen sollen. Die ICF steht nicht nur für den Rennsport, sondern will SUP in seiner ganzen Breite fördern. Seit mehreren Jahren bin ich mit dem TÜV in Verbindung, um Boards mit einer zweiten Luftkammer auf den Markt zu bringen. Mit dem LiDL-Deal ist es uns gelungen, das erste TÜV-geprüfte SUP-Board in hoher Stückzahl zu einem günstigen Einsteigerpreis auf den Markt zu bringen.
Ist das nicht ein massiver und nachhaltiger Imageschaden? Wie wollt ihr jemals wieder Boards zu einem handelsüblichen Preis verkaufen?
Ganz im Gegenteil, wir sind uns sicher, dass mit diesen Einsteigern eine den Breitensport fördernde Gruppe geschaffen wurde, die in ihrem Sport weiter wachsen möchte und somit eine große Käuferschicht für die über der Einsteigerschicht konstruierten Produkte darstellt.
Die Mitbewerber im SUP-Bereich befürchten durch die LiDL-Aktion einen nachhaltigen Schaden für die gesamte Branche. Wie stehst du persönlich und die Marke zu diesen Vorwürfen?
Ich persönlich stehe seit über 40 Jahren für außerordentlich gute, den Sport fördernde Produkte ein, egal ob Windsurfen, SUP oder auch neuerlich Kajak. Mit den qualitativ hochwertigen LiDL-Boards tut Mistral etwas für eine nachhaltige gesunde Entwicklung des SUP-Breitensports. Wir haben keine Luftmatratzen ähnliche Bretter auf den Markt gebracht, sondern ein TÜV-geprüftes Board mit Sicherheitskammer. Die Branche würde sehr kurzsichtig sein, würde sie nur ein verlorenes Marktsegment sehen und nicht die ausgesprochen guten Möglichkeiten, diesem großen SUP-Zuwachs ihre fantastischen, höherwertigen Produkte anzubieten. Ich sage deshalb, irgendjemand muss etwas für die breite Basis des SUP-Sports tun, nämlich gute Produkte zum günstigen Preis anbieten, die viele Sportsfreunde begeistern, damit sie bei unserem Sport bleiben und das genau hat Mistral getan.
Mit dem Carbowing hat Mistral auf der boot Düsseldorf 2020 auch für reichlich Aufmerksamkeit gesorgt? Wieviel Prade steckt in dem revolutionären Rigg?
Die Idee stammt von Robert Frank, mit dem ich schon in den frühen Mistral-Jahren zusammengearbeitet habe. Er hat zum Beispiel die hervorragenden Mastschienen für alle Mistral-Boards gebaut. Ich helfe ihm und entwickle mit ihm und seinem Sohn Levin das von ihm patentierte Carbowing-Rigg. Wieder einmal geht Mistral hier komplett neue Wege. Das erste Rigg seit 50 Jahren, das sich vom Rundmast zugunsten eines Profilmastes verabschiedet. Erste Testergebnisse lassen aufhorchen. Auch deshalb, weil es sich hier um ein Produkt „made in Germany“ handelt, das komplett in einer Carbon-Hochtechnologie gebaut wird.
Wann geht es in Serie?
Die Corona-Pandemie hat, wie bei vielem, erst einmal einen brutalen Stop verursacht. Langsam kommen wir wieder in die Gänge. Aber eine erste Produktion soll nun im Herbst stattfinden. Die Markteinführung steht noch nicht fest.
Du bist immer noch aktiv und mit der Nase dicht am Sport, an was arbeitest du jetzt?
Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Dekade bei den Inflatables. Mit neuen Materialien werden die Boards leichter und trotzdem steifer. Seit drei Jahren habe ich an einer grundsätzlich neuen Technologie für Inflatables gearbeitet und jetzt ein weltweites Patent erlangt. Bei dieser Idee geht es darum, innerhalb des aufgeblasenen SUP-Boards Stringer und Bauelemente wie Finnen- und Schwertkasten sowie Mastfußaufnahme zu verankern, also nicht wie bis jetzt einfach außen aufgeklebt oder in ein Loch gesteckt, das aus dem Boardkörper erst einmal herausgeschnitten werden muss, sondern durch eine neue Technik. Darauf konzentriere ich mich jetzt, denn damit können wir sehr leichte, absolut steife und easy zu transportierbare Raceboards produzieren. Außerdem bin ich in der Lage, aufblasbare Foilboards zu bauen, die ebenfalls leicht und steif sind. Aber ich will auch nächstes Jahr mein Paddle-Energizer-System auf den Markt bringen, bei dem ein horizontales Paddel schwerelos für den Sportler in der Luft schwebt, also das komplette Paddelgewicht wegfällt. Und außerdem ein sehr interessantes Fittness-System, das von Sportärzten empfohlen wird und das darauf abzielt, Kraftübungen zur warmen Jahreszeit vom Studio in die grandiose Natur auf das Wasser zu verlegen, um zum Bizepstraining weiter 400 Mikromuskeln zu trainieren, was nur auf dem SUP-Board funktioniert.
Eine deiner letzten Erfindungen war die aufblasbare TAMI Hundebox? Damit hast du beim Pro Sieben-Wettbewerb „Das Ding des Jahres“ knapp das Finale und 100000 Euro verpasst? Verkauft sich das Ding denn?
Ja, es war eine Idee meiner Frau. Es gelang mir als einer der Ersten das flachliegende Dropstitch-Material der SUP-Boards dreidimensional zu verformen. Dazu habe ich ein internationales Patent bekommen. Mit dem Verkauf sind wir sehr zufrieden. Mehrere Tausend Hunde freuen sich über ihre Hundebox mit einem eingebauten Air-Bag-Effekt, der Hund und Personen im Auto schützt, wie eines der renommiertesten Crash-Test-Labors bestätigt. Beim Auffahrunfall legt sich die Box fast schützend um das Tier.
Dieses Interview erschien erstmals in surf 8/2020