Robert, bis zu 700 Gramm Gewichtsersparnis bei einem 4.7er NeilPryde Combat, das hört sich nach einem gewaltigen Schritt an. Wie habt ihr die Segel so stark abgespeckt?
Das mit den Gewichtsersparnissen ist vielleicht für unsere Marketingabteilung interessant, da will man ja immer eine Zahl drauf schreiben. Ich als Designer finde das, was dahinter steht, viel wichtiger. Etwa 50 Prozent der Arbeit stecken im Entwickeln neuer Materialien, mit denen diese Gewichtsreduktion überhaupt erreicht werden konnte, ohne dass die Haltbarkeit darunter leidet. Die anderen 50 Prozent sind in neue Designs und die Segelschnitte geflossen.
Lass uns zuerst über das Material sprechen. Reden wir hier über ein neu entwickeltes Material oder geht es letztendlich darum, mit bestehenden Materialien neue Wege gefunden zu haben?
Bis 2023 hatten wir im Schothornbereich unser sogenanntes PowerFuse Material, hier wurden Bahnen des gleichen Materials überlappend aufeinander laminiert. Jetzt besteht das Laminat aus unterschiedlichen Materialien, die über hochfeste Aramid-Fasern verfügen und auf diese Weise können wir hier eine Menge Gewicht einsparen. Es handelt sich dabei also nicht um Material von der Stange, sondern um eigens von uns entwickeltes Laminat, welches wir in unserer Segel einbauen können. Dieses Laminat kommt bei bei den HD und Pro HD Versionen unserer Wavesegel zum Einsatz, zusätzlich dazu gibt es die Segel noch in einer ProFuse Variante. Diese Bauweise ist mit dem Q-Bonded Material ausgestattet. Dabei werden Aramidfasern verschweißt, wodurch man ohne Nähte auskommt, dadurch wird hier nochmals etwas Gewicht eingespart.
Warum gibt es bei den Modellen überhaupt die verschiedenen Bauweisen?
Die ProFuse Bauweise ist bezüglich des Herstellungsprozesses mit ihrem verschweißten Laminat am aufwändigsten und daher auch am teuersten. Natürlich wollten wir auch im preiswerteren Segment eine hochwertige Technologie anbieten, daher die Entscheidung, verschiedene Bauweisen anzubieten. Natürlich müssen wir sehen, wie die unterschiedlichen Bauweisen am Markt angenommen werden, es kann also sein, dass es in Zukunft auch wieder auf zwei verschiedene Technologien reduziert wird.
Stichwort “Preis”: Wo liegen die neuen NeilPryde Wavesegel diesbezüglich?
Preislich ist es fast genau auf Vorjahresniveau. Ein Combat HD in 4,7 liegt zum Beispiel bei 879 Euro - die HD und Pro HD Bauweisen sind dabei aber zwischen 500 und 700 Gramm leichter geworden - damit dürften die Segel in dieser Gewichtsklasse zu den günstigsten auf dem Markt gehören. Die ProFuse-Variante mit ihrer verschweißten Technologie ist natürlich teurer (1169 Euro beim Combat 4,7, die Red.), dürfte mit 2,50 Kilo beim Combat 4,7 aber ebenfalls zu den leichtesten Segeln auf dem Markt gehören und ist dabei - je nachdem mit welchem Mitbewerber man es vergleicht - 100 bis 300 Euro günstiger als andere Segel in dieser Gewichtsklasse.
Das Segel-Design beim Modell Combat hat sich nach eurer Aussage komplett verändert. Was sind die wichtigsten Änderungen und warum habt ihr diese durchgeführt?
In der Vergangenheit wurde unserem Wavesegel Combat, auch in euren Tests, immer attestiert, dass es viel Power bietet, teilweise aber bei Starkwind etwas Kontrolle vermissen lässt. Um diesen Aspekt zu verbessern, haben wir an vielen Stellschrauben gedreht. So ist beim neuen Combat die Vorliekspannung erhöht worden, im Vorliek verwenden wir jetzt ein Material namens Taffeta.
Ich als Designer finde das, was hinter der Gewichtsreduktion steht, viel spannender als die nackten Zahlen
Taffeta? Was hat es damit auf sich?
Bislang gab es ja die Möglichkeit, für die Vorlieksbahn entweder Folienmaterial zu verwenden, dieses ist ziemlich steif und verleiht einem Segel ein knackig-direktes Fahrgefühl. Da man Folie aber nicht einfach zusammennähen kann - es würde sonst ausreißen - muss man dann mit relativ viel Tape unter den Nähten arbeiten, dass addiert wiederum Gewicht. Die andere Option ist Tuchmaterial, welches man super nähen kann, was aber sehr weich ist und mit der Zeit, wenn es sich etwas gereckt hatte, auch irgendwie "tot" wirken kann. Taffeta ist quasi eine Mischung aus beidem, wie ein Dacron welches mit einem dünnen Cover an Folie beschichtet ist. Dadurch bietet es kaum Stretch über einen langen Zeitraum und lässt sich zudem gut verarbeiten, macht das Segel aber auch nicht zu steif.
Gibt es noch weitere Stellschrauben, an denen ihr gedreht habt?
Insgesamt wurden die Gabelbaumaße beim NeilPryde Combat etwas kürzer, die Centerlatte über dem Gabelbaum ist jetzt steifer, was die Druckpunktstabilität verbessern soll. Zudem stehen die Latten auch etwas mehr am Mast vorbei und haben weniger eingebautes Profil. Auch ist das Achterliek jetzt nicht mehr so weit ausgestellt über der Gabel, dadurch soll sich das Segel bei Überpower-Bedingungen nicht mehr so stark aufladen, sondern mehr Neutralität und ein besseres Handling bieten.
Das Combat ist ja nicht das einzige Wave Segel in eurer Range. Zusätzlich gibt es auch noch das Atlas sowie das 3-Latten-Segel Zone.
Das Atlas ist ja seit jeher unser Segel für Freemove- und Onshore-Wellenbedingungen. Auch das Atlas hat natürlich alle Änderungen bezüglich der Materialien erfahren, ist aber bezüglich seiner Konzeptionierung gleich geblieben. Es ist ja ohnehin immer ein 5-Latten-Segel gewesen, welches den Fokus auf Power und Kontrolle gelegt hat. Deshalb hat es im Vergleich zum Combat auch deutlich mehr Bauch und ein fester eingebautes Profil. Neu entwickelt wurde dagegen dass Zone, ein 3-Latten-Segel auf das wir auch sehr stolz sind.
Segel mit drei Latten waren ja vor einigen Jahren ein kurzer Trend, wirklich durchsetzen konnten sie sich aufgrund ihres speziellen Einsatzbereichs aber nie. Würdest du unterschreiben, dass das Zone ein Segel rein für Spezialisten ist?
Natürlich hat ein Konzept wie das Combat einen größeren Gesamteinsatzbereich, vor allem aufgrund der besseren Kontrolle bei Starkwind. Trotzdem würde ich sagen, dass das Zone nicht nur in Down-the-Line-Bedingungen wie hier auf Maui gut aufgehoben ist. Wir haben das Segel in Kooperation mit unserem Teamfahrer Morgan Noireaux komplett neu designt. Die Segellatten stehen hier leicht diagonal, auf diese Weise deckt man mit den wenigen Latten einen möglichst großen Bereich im Segel ab, das ganze Konstrukt wird straffer. Auch auf das weiche PVC-Fenster der Vergangenheit verzichten wir jetzt und ersetzen es durch Monofilm, was dem Segel ebenfalls mehr Straffheit verleiht. Das Zone hat sehr viel Power, kombiniert mit bester Neutralität. Ideal ist es für leichte Fahrerinnen und Fahrer und für Wave-Fans, die regelmäßig in Bedingungen mit Leicht- bis Mittelwind unterwegs sind und darauf verzichten, mit ihrem Segel überpowert durch die Gegend zu rasen. Ich bin fast ein bisschen traurig, dass Segelkonzepte wie das Zone zwar von den Teamfahrern geliebt werden, auf dem Markt aber nie so richtig angekommen sind.
Robert, danke für das Gespräch!
Ob die Änderungen des NeilPryde-Teams greifen und die neuen Wavesegel wirklich so leicht sind, wie angekündigt, lest ihr schon bald im Test - dieser erscheint in surf 4-2024.