Shorebreak-FotografClark Little und seine unglaublichen Wellenbilder

Manuel Vogel

 · 23.07.2023

Wer taucht, verliert – wo andere den Kopf einziehen würden, harrt Clark aus, auf der Suche nach dem einen, perfekten Moment.
Foto: Clark Little Photography
Er geht dahin, wo es weh tut – der in Kalifornien geborene Fotograf Clark Little fotografiert seit Jahren Wellen, gewinnt damit Preise ohne Ende und verzaubert mit seinen Fotos selbst Menschen, die mit Wassersport nichts zu tun haben. Ein surf-Interview über Geduld, Sand in der Nase und die Leidenschaft, im Shorebreak Prügel einzustecken.

Clark, Shorebreaks sind nicht die Orte, an denen „normale“ Leute länger als nötig bleiben. Wie lange brauchst du nach einem Arbeitstag, den Sand aus allen Körperöffnungen zu kriegen?

(lacht) Na, da scheint sich ja jemand gut auszukennen! Ja, man sammelt so einiges auf. Wenn ich nach einem Tag im Wasser zu Hause im Bett liege, kommen da kleine Muscheln, Sand und kleine Steinchen aus allen möglichen Körperöffnungen zutage. Mein Bett ist ständig voller Sand, der aus meiner Nase kommt und meine Frau hasst es, aber letztlich ist sie ja mit Schuld daran. (lacht)

Inwiefern?

In gewisser Weise war sie es, die den Stein ins Rollen brachte. Wellen und das Surfen haben mich schon immer fasziniert, ich las schon als kleiner Junge alle verfügbaren Surfmagazine – von vorne bis hinten und dann wieder von vorne. Trotzdem hätte ich damals nicht gedacht, dass ich jemals professioneller Fotograf werde und damit mein Geld verdiene. Das änderte sich erst, als meine Frau eines Tages mit einem gekauften Bild nach Hause kam und dieses im Schlafzimmer aufhängen wollte. Es zeigte den Shorebreak von Waimea Bay. Ich sagte zu ihr: „Schatz, no way! Bitte bring es zurück, ich kann dir ein besseres machen.“ Das hat sie dann tatsächlich getan und ich war in der Pflicht, also bin ich los, hab ein billiges Wassergehäuse für meine billige Kompaktkamera gekauft und hab mich in die Wellen gestürzt. Ich wollte eine Nahaufnahme aus einer brechenden Welle, und nach einer Weile machte es großen Spaß. Zuhause war ich überrascht, dass tatsächlich ein paar gute Shots dabei waren. Seit diesem Moment will ich nichts anderes mehr machen.

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Die billige Knipse von früher hast du heute nicht mehr in Gebrauch, nehme ich an.

Nein, nicht wirklich. Heute benutze ich eine Nikon D4 mit 10.5 mm Fisheye, Wassergehäuse, Schwimmflossen und – der größte Teil meines Geheimnisses – eine Tasse voll gutem Kaffee. (lacht) Ohne Kaffee geht bei mir gar nichts!

Du hast mit deinen Fotos zahlreiche Preise gewonnen, stellst in Tokyo, Montreal und New York aus und die „collectors edition“ deines Buchs „SHOREBREAK“ kostet 250 Dollar. Was machst du anders als die vielen anderen Fotografen?

Ehrlich gesagt kann ich nicht sagen, was mein Geheimnis ist. Ich gehe einfach raus und tue, was mir Spaß macht. Wenn du mit dem Herzen dabei bist, kommt alles andere was nötig ist – Geduld zum Beispiel – von ganz alleine. Ich denke, dass man es meinen Fotos ansieht, dass ich mit Herz und Seele fotografiere. Auch meine Erfahrungen als Surfer helfen mir. Ich habe vorher schon so viel Zeit im Shorebreak von Waimea verbracht, Wellen abgeritten und oft Prügel bekommen. Jetzt weiß ich natürlich genau, wo ich hin muss und kann die Luft lange anhalten, ohne Panik zu bekommen. Für mich fühlt es sich genauso gut an wie selbst surfen zu gehen.

Clark lässt sich regelmäßig im Shorebreak des North Shore gründlich durchwaschenFoto: Clark Little PhotographyClark lässt sich regelmäßig im Shorebreak des North Shore gründlich durchwaschen

Als Laie denkt man immer, dass Profi-Fotografen nur tolle Bilder machen. Wieviele Shots brauchst du, damit das eine Besondere dabei ist?

Puh, schwer zu sagen, das ist komplett unterschiedlich. In einer Session von zwei bis drei Stunden mache ich etwa 300 Fotos, manchmal mehr, manchmal weniger. So einen Shot wie die in dieser Fotostrecke schaffe ich vielleicht bei jeder zehnten Session, ich muss also rund 3000 Bilder schießen, um ein Besonderes dabeizuhaben, bei dem alles passt. Aber ich hatte auch schon Tage, da gelingen mir drei oder vier perfekte Shots, dann wieder wochenlang gar nichts. Ein Großteil der Arbeit findet ohnehin am Rechner statt, schließlich muss man auch erstmal alles sichten und aussortieren.

Was muss alles passen, damit ein perfektes Foto entstehen kann?

Erstaunlicherweise hat es nichts mit der Größe der Wellen zu tun, oft haben kleine Tage wunderschöne Wellen. Ich bin da nicht wählerisch! Ich wünsche mir natürlich immer Windstille und klares Wasser, Sonne, perfekten Sand und konstanten Swell und – vor allem – keine Leute. Diese Auflistung zeigt schon, dass so gut wie nie alles zusammenkommt, und wenn ein Faktor fehlt, wird es meist kein gutes Foto. Was ich allerdings im Laufe der Jahre gelernt habe, ist, dass man vorher nicht weiß, ob es ein guter Tag wird oder nicht. Ich war schon so oft draußen und dachte, der Wind sei zu stark, als er plötzlich aufhörte oder die Wolkendecke, die plötzlich für ein paar Minuten aufriss und Farben und dramatische Atmosphäre entstehen ließen. Es ist manchmal verrückt wie schnell sich alles ändert und die Leidenschaft lässt mich oft noch ein bisschen länger ausharren, obwohl ich längst denke: „Clark, geh nach Hause!“ Und manchmal wird man eben dafür belohnt.

An der Grenze zum Kitsch, trotzdem nicht minder schön. Bis solch ein Traumshot im Kasten ist, schwimmt Clark im Schnitt 30 Stunden im Wasser und schießt dabei 3000 Fotos.Foto: Clark Little PhotographyAn der Grenze zum Kitsch, trotzdem nicht minder schön. Bis solch ein Traumshot im Kasten ist, schwimmt Clark im Schnitt 30 Stunden im Wasser und schießt dabei 3000 Fotos.

Was war die größte Herausforderung als Fotograf für dich?

Die härtesten Bedingungen für ein Shooting sind die großen Tage am North Shore, Keiki Beach. Da gibt es den größten Shorebreak, den ich je gesehen habe. Die Strömung ist stark und die Welle hat extrem viel Schmackes, weil es weiter draußen kein Außenriff gibt, das die Wellen bremst oder abschwächt – sie bricht in nur ein paar Zentimeter tiefem Wasser, quasi direkt auf den Strand. Da musst du dich konzentrieren und in Sekundenbruchteilen viele richtige Entscheidungen treffen. Ein weiterer Meilenstein war sicher ein Shooting für Apple Computer in Teahupoo (Tahiti, die Red.). Die wollten damals Werbeaufnahmen, um ihr neues Retina-Display zu bewerben und ich sollte dafür Fotos machen. Ich kannte den Spot nicht und ehrlich gesagt war es die erste Riffwelle, die wie ein Shorebreak aussah – unglaublich dick und mächtig, ich hatte echt Schiss, verletzt zu werden. Das Riff ist scharf und das nächste Krankenhaus weit weg.

Hat’s dich schön öfter mal erwischt? Wie gefährlich ist dein Job?

Zum Glück bisher nichts wirklich Ernstes, aber ein paar Mal war’s echt knapp! Vor ein paar Jahren hab ich mir das Schultergelenk gesprengt, weil mich eine Welle auf den trockenen Sand geschmissen hat. Es hat ein paar Wochen gedauert bis alles wieder gut war, aber ich war bereits nach zwei Wochen wieder im Wasser, wenn auch etwas eingeschränkt. (lacht)

Ein anderer Faktor sind die richtig großen Wellen, die dich lange unten halten. Einmal wurde ich gewaschen, kam dann zwischen zwei großen Wellen nicht mehr hoch und musste für die Dauer von zwei Wellen unter Wasser ausharren. Ich hatte keine Luft mehr, es wurde dunkel und ich merkte, wie ich fast ohnmächtig wurde. Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf – meine Familie, meine Frau, die Kinder. Ich kam gerade noch rechtzeitig hoch. Es ist kein gutes Gefühl, so nahe am Abgrund zu stehen, und dieser Tag war mir eine Lehre. Ich bin seitdem um einiges vorsichtiger geworden.

Ist nicht auch die Kamera manchmal ein Problem?

Genau, auch in kleinen Wellen ist die Kamera gefährlich. Die ist ja auch nicht gerade leicht, und ich hab sie schon einige Male über die Rübe bekommen, als mich eine Welle gewaschen hat. Das Resultat waren saftige Blessuren und Wunden. Alle, die mit mir im Wasser waren sagten, ich solle mich zurück ans Ufer schleichen. Die hatten wohl Angst, dass ich so die Haie anlocke. (lacht) Ich kann jedem, der damit anfangen will, Wellen zu fotografieren, nur raten, es erst bei kleinen Wellen zu versuchen. Steigern kann man sich immer noch und es ist etwas anderes mit Kamera-Equipment herumzuschwimmen als mit einem Surfboard.

Dieses Interview erschien erstmals in surf 9/2014


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