Boardschmiede auf FuerteventuraWitchcraft - Bouke Becker und seine unzerstörbaren Bretter

Bouke Becker gehört seit über 30 Jahren mit seinem Label Witchcraft zur Surf-Szene auf Fuerteventura.
Foto: Jan Magatzki
Wer auf Fuerte unterwegs ist, dem fallen die Witchcraft-Boards direkt ins Auge. Seit Anfang der Neunziger baut der Niederländer Bouke Becker hier Bretter, seitdem hat er seine Marke von der kleinen Custom-Schmiede zum Vollsortimenter mit Segeln, Finnen und vielen Komponenten entwickelt.

Bouke und sein ausgeklügeltes, extrem haltbares Material haben viele Fans, die Wartezeit auf ein Brett dauert rund fünf Monate, Bouke baut nach wie vor alles selber. Auch der leidenschaftliche Windsurfer Jan Magatzki ist ein Witchcraft-Fan, er fährt Boukes Bretter nicht nur im Urlaub auf Fuerte, sondern auch zuhause an Nord- und Ostsee. Jan hat Bouke in seiner Werkstatt zu einem Tech-Talk über unzerstörbare Boards und andere Witchcraft-Spezialitäten getroffen.

Bouke, du baust seit 30 Jahren Boards. Deine Witchcraft-Bretter gelten als robust, aber trotzdem gleitstark. Wie kriegst du das hin?

Das ist wegen der Rails, das ist die eine Sache. Zweitens sind das die Finnen und die Finnenprofile, die sind sehr gut. Drittens ist das die Rockerlinie, ich benutze eine parabelartige Rockerlinie, ohne Tailkick. Tailkick ist wie eine Handbremse. Wenn man in den Turn carvt, liegt die Rail bis weit vor der Mastspur im Wasser. Das heißt, die gesamte Kurve im Unterwasserschiff ist wichtig. Und wenn man den Kurvenverlauf dann mehr nach vorne verlegt, dann hat man hinten einen Bereich, der einfach nicht so viel Rocker hat und man gut gleitet. Sobald man einen Turn fährt, drückt man das Brett bis in den vorderen Bereich ins Wasser, da ist es dann sehr drehfreudig.

Tailkick ist wie eine Handbremse.”

Funktionieren die Bretter denn nicht nur hier auf Fuerte, sondern auch an allen anderen Spots?

Klar! Höhelaufen ist hier wichtig, das Fahrgefühl auf der Welle, schnell eine Welle bekommen, keinen Speed verlieren auf der Welle. Diese Punkte sind überall wichtig. Ein weiteres großes Feature bei allen Witchcraft-Boards ist, dass die Rails nur ganz vorne rund sind, weil hier muss das Wasser unter das Brett gelenkt werden. Im Strömungssimulator sieht man, dass das Wasser im mittleren Bereich schon nach außen geleitet wird. Also es macht gar keinen Sinn, dort die Kanten noch rund zu haben, ich mache sie dort schon deutlich schärfer. Das gibt erstmal ein besseres Drehverhalten, denn die Kanten helfen den Turn einzuleiten, und eine schnellere Reaktion, dadurch kann man dann auch wieder flachere Rockerlinien verwenden. Und zweitens, ohne dass das Brett insgesamt breiter wird, hat man eine 3 bis 5 cm breitere Gleitfläche und es gibt obendrein einen sauberen Wasserabriss. Also deutlich mehr Vorteile als Nachteile - und das ist es, wonach ich immer Suche bei meinen Entwicklungen.

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Bouke baut seine Boards nicht nur für Fuerte-Wellen, sondern auch für Nord- und OstseeFoto: WitchcraftBouke baut seine Boards nicht nur für Fuerte-Wellen, sondern auch für Nord- und Ostsee

Welche Serien hast du hier? Welche verschiedenen Bretter-Serien baust du?

Neben den reinen Customs, wo der Shape individuell auf den Fahrer abgestimmt wird, habe ich neun unterschiedliche Modelle. Da ist zum einen das Freewave-Modell Chakra, das ist gemacht zum ganz einfachen Fahren mit weniger Fahrkönnen. Die sind sehr fehlerverzeihend, laufen sehr gut Höhe in einem großen Windbereich, gleiten gut an und sind auch auf Flachwasser gut zu fahren. Das zweite Brett ist dann der Shaman. Das ist ein “Easy Waveboard”, besser für die Welle, aber trotzdem ein Brett, was gut gleitet und auch noch recht fehlerverzeihend ist. Das dritte Brett ist der Reaper. Das ist ein Brett, speziell für Onshore-Bedingungen, kleine Wellen, ist sehr schnell, sehr wendig, auch sehr aktiv zu fahren. Das reagiert sehr schnell, gleitet sehr gut. Vor allem als größeres Wave-Brett für die Nordsee und Ostsee macht das viel Spaß. Dann haben wir den Haka. Das ist eigentlich das Allround-Brett für alle etwas besseren Wave-Bedingungen. Da kann man im Prinzip alles mit machen, von über masthohen Wellen bis zu Onshore-Bedingungen. Und dann haben wir noch das Wave V5. Das ist speziell für Sideshore-Bedingungen, zum rausdümpeln und dann mit Speed auf der Welle reinfahren. Die haben die Fußschlaufen etwas weiter vorne, haben auch eine andere Form im Unterwasserschiff, damit man mit der Welle mehr Geschwindigkeit generiert und man weniger Windpower braucht. Mein neuestes Modell ist der Serum, das ist auf Sideshore-Bedingungen ausgelegt mit mehr Wind. Das hat eine recht tiefe Doppelkonkave, um mehr Laufruhe in Chop zu geben und trotzdem viel Kantengriff. Das Ouija ist unser Freestyler, das Eternity der Freeracer und der Ghost ist unser High-Speed-Slalommodell.

Deine Bretter gelten als sehr haltbar, was nutzt du für Materialien?

Normales Material geht hier halt leider sehr schnell kaputt, wir haben felsige Spots, mehr Wellen, wir haben viele Surftage im Jahr. Bei meinen eigenen Brettern habe ich mich immer geärgert, wenn was kaputt ging und die Session vorbei war. Ich habe dann versucht, es besser zu machen und bin vor etwa 30 Jahren auf Dyneema als Material gekommen. Damit habe ich dann sehr viel entwickelt.

Erklär mal ganz kurz, was Dyneema so besonders macht.

Dyneema ist extrem schlagfest und doppelt so stabil wie Kevlar - Ein Material, was früher für schusssichere Westen genutzt wurde. Es hat eine 12-fach höhere Schlagfestigkeit als Carbon und 6-fach höhere Schlagfestigkeit als Glasgewebe. Wenn man auf das Board schlägt, platzt das Glasgewebe irgendwann ab, aber das Dyneema ist immer noch ganz. Das Brett ist immer noch wasserdicht. Unsere Mietbretter sind im Schnitt vier oder fünf Jahre alt, da ist noch keins repariert, und das hier auf Fuerteventura, mit Felsen, mit Wellen. Wir haben vieles entwickelt, dass die Bretter mehr aushalten, keine Ermüdungserscheinungen bekommen oder erst nach viel längerer Zeit als gewöhnlich.

Aber die Bretter sind ja trotzdem leicht.

Das ist halt ein weiterer Vorteil von Dyneema. Es hat ein Raumgewicht von 0,97, es ist leichter als Wasser. Glasgewebe hat 2,6, Carbon hat 1,9. Also wiegt es nur halb so viel wie Carbon. Ich baue auch mit CBC-Konstruktion, das ist halb S-Glas und Carbon, außerdem haben wir auch eine Vollcarbon-Version. Aber 60-70% unserer Kunden wollen Dyneema.

Warum setzen dann nicht mehr Board-Hersteller Dyneema ein?

Ich kann da nur nach raten, aber erstmal ist Dyneema schwer zu verarbeiten. Man braucht eine spezielle Schere aus Hartmetall, es ist sehr schwer zu schleifen und muss deshalb sorgfältig mit einen dünnen hochwertigen Glasgewebe abgedeckt werden. Es hat also auch weniger gute Eigenschaften, die Vorteile für das Produkt sind aber enorm. Es nimmt kein Wasser auf, die Steifigkeit ist im mittleren Bereich, es ist 12,5-mal so schlagfest wie Kohlefaser. Man muss nur wissen, wo die Nachteile liegen und wie die zu lösen sind. Da stecken viele Jahre Forschung und Erfahrung drin. Welches Harz, welche Webart, welche Behandlungsmethode, welche Laminier-Methode, wie muss der restliche Aufbau aussehen.

Dann muss man wissen welches Material welche Eigenschaften hat, was für einen E-Modul-Wert und wie die Materialien zusammenarbeiten. An einem Beispiel erklärt, bei Carbon-Kevlar (Kohlefaser-Aramid) hat die Kohlefaser den fünffachen E-Modul-Wert wie Aramid. Bei Belastung wird die Kohlefaser also fünf Mal so viel von der Last tragen, es sind aber nur 50 % des Gewebes aus Kohlefaser, somit geht es schneller kaputt. Das Aramid wird erst belastet, wenn die Kohlefasern kaputt sind, aber weil der Aramid-Anteil auch nur 50% ist, geht das denn auch relativ schnell kaputt. Die Materialien hören sich gut an, aber arbeiten einfach nicht gut zusammen. Einfaches Glasgewebe ist sogar besser, bei 10% der Kosten und viel einfacherer Verarbeitung. Der E-Modul von Innegra ist noch viel niedriger als Carbon, das arbeitet dann noch mal schlechter zusammen. Man würde ja auch kein Stahlseil mit Elastik verstärken. Dyneema und Kohlefaser arbeiten da schon deutlich besser zusammen. Glasgewebe ist aber auch doppelt so schlagfest wie Carbon, also verstärken wir die Nasen mit Glasgewebe. Carbon ist aber wieder druckfester.

Nicht nur deine Bretter selbst, auch die Finnen haben bei dir eine große Bedeutung.

Der erste Twinser-Hype in den 90ern hat mir damals sehr gefallen, kleinere Finnen, bessere Wendigkeit, bessere Höhelauf-Eigenschaften aufgrund der großen Finnenfläche. Aber die Twinser hatten das Problem, dass die schnell wegrutschten. Ich habe dann viel damit herumexperimentiert und festgestellt, bei Singlefin-Boards gibt es das Problem nicht, und da habe ich halt die Mittel-Finne wieder zurückgepackt, zwischen die beiden und da hast du ein Tri-Fin. Seit 1997 mache ich eigentlich nur noch Tri-Fins.

Ich habe aber gemerkt, dass die Seitenfinnen immer etwas bremsen und habe dann etwa 2004 das 4-Way Fin System ausprobiert. Das ist ein Finnen-System, bei dem man den Winkel der Seitenfinnen verändern kann. Innerhalb von einem Nachmittag habe ich dann herausgefunden, wenn du die Finnen leicht anstellst, wird das Board schneller und es dreht besser. Das konnte nur dadurch kommen, dass das Wasser vom Brett seitlich abgelenkt wird. Also hatte ich damals schon angenommen, dass sich dieser Effekt in der Tiefe ändert. Später hatte ich dann einen Studenten der Hydrodynamik, mit ihm konnten wir das am Computer mit CFD (Computer Fluid Dynamics) simulieren. Die Strömungsablenkung direkt unterm Brett ist sogar doppelt so groß, wie ich angenommen hatte, aber an der Finnenspitze ist es wieder gleich Null. Also mussten die Finnen in sich gedreht werden, der sogenannte Pre-Twist. Das hört sich vielleicht erstmal kompliziert an, man sieht aber das gleiche Prinzip an vielen Stellen wie zum Beispiel bei den Windmühlen. Auch bei unseren Segeln sieht man das Prinzip. Wir haben unten weniger Wind als oben, oben kommt der Wind mehr von der Seite und unten mehr von vorne, das Segel muss deshalb immer twisten. Ohne Twist würde ein Segel schlecht funktionieren. Bei den Finnen ist es genau das Gleiche. Da Wasser 730-mal so viel Masse hat wie Luft, machen hier augenscheinlich kleine Verbesserungen sehr viel aus. Wie wir das alles nachgeforscht haben ist recht technisch und die Erklärungen bisher sind nur ein Teil davon. Es gibt noch einiges mehr zu bedenken, welche Profile man verwendet und welche Auswirkung asymmetrische Profile haben zum Beispiel. Dazu noch Bodenform und Position der Finne. Das interessiert aber vielleicht auch nicht alle und das wäre eher was für einen separaten Artikel.

Die äußeren Finnen sind leicht angestellt und im Tip gebogenFoto: WitchcraftDie äußeren Finnen sind leicht angestellt und im Tip gebogen

Der Effekt auf die Fahreigenschaften ist verkürzt erklärt: Weil die Seitenfinnen mit einem Winkel im Brett stehen und man in einen harten Turn Druck auf die innere Finne gibt, entwickelt sich da eine vorwärts gerichtete Komponente. Wellenreiter nennen das „Drive“. Dieser Drive wird noch verstärkt, wenn die Finne dann auch noch im Tip nachflext, das gibt dann einen richtigen Schub im Turn. Auch die mittlere Finne wirkt so, wenn sie nachflext. Wie bei Schwimmflossen, wenn man Druck gibt, dann geben die einen Schub nach vorne. Wenn man die Finnen parallel hat, dann stehen die Finnen quer in der Strömung und wirken in die entgegengesetzte Richtung. Dann kriegt man vor allem bei großen, schnellen Turns den Straightlining-Effekt, wie wir sagen, dass das Brett auf einmal geradeaus will, wenn du die Kurve machen möchtest.

Mit unseren Finnen haben wir nachgewiesen weniger Widerstand und das Brett dreht besser. Bei den meisten Multifin-Brettern sieht man heutzutage kleine Seitenfinnen und große Mittelfinnen. Die Seitenfinnen können dabei nicht größer gemacht werden, weil sie dann noch mehr bremsen und schlechter drehen. Das Problem haben wir mit unseren getwisteten Finnen gelöst. Wir können auch drei ähnlich große Finnen unter das Brett schrauben, was die Wendigkeit und den Windbereich noch mal deutlich verbessert.

Kann ich auch deine Finnen fahren, wenn ich kein Witchcraft-Board mit den angewinkelten Finnenboxen habe?

Ja, wir bieten die Finnen jetzt auch für andere Marken an, bei denen Finnenkästen noch parallel sind, sowohl in Slotbox als auch Minituttle. Dafür habe ich die Finnen auf der Finnenbasis noch mehr gedreht.

Auch die Schlaufen auf deinen Boards unterscheiden sich von den üblichen Modellen, warum?

Früher hatten wir auch Standard-Schlaufen. Aber wir fahren hier immer Barfuß und im Sommer surfst du jeden Tag, manchmal zwei, drei Wochen hintereinander. Und manchmal hat man nach einer Woche eine Wunde auf dem Fuß, die wird immer größer und schmerzhafter. Und dann bist du manchmal ein, zwei Wochen raus, um das wieder heilen zu lassen. Ich habe vieles ausprobiert. Ich habe Schlaufen probiert die etwas breiter waren, dicker gepolstert und eine größere Fläche hatten, die waren asymmetrisch. Damit hat man das Problem nicht mehr, weil dabei nicht so eine große Punktbelastung auf den Fuß wirkt. Diese Schlaufen habe ich jahrelang eingekauft und mitgeliefert, aber irgendwann hat der Hersteller die Fabrik gewechselt und die Qualität wurde leider schlechter. Da habe ich angefangen, selber zu entwickeln. Wenn mal das Neopren kaputt ging, dann habe ich das weggeschnitten. Da hat man einen schönen, weichen Schaum und kann prima weiterfahren. Das hat noch ewig gehalten, daher nutze ich bei meinen Witchcraft-Schlaufen gar kein Neopren. Die Leichtschlaufen, die es sonst gibt, die kann man nur über Schrauben verstellen, was umständlich ist. Ich verwende vier Schrauben. Ich wollte gerne die asymmetrischen Schlaufen beibehalten, bei denen die Einstiegsseite größer ist, damit sie ergonomisch sind. Und deshalb habe ich dann welche entwickelt, die mit Klettverschluss verstellbar sind. Dabei kann man die Schrauben versetzt verwenden, damit die Schlaufe asymmetrisch aufgedrückt wird. Hinten geht es natürlich nicht, da wird die Schlaufe symmetrisch montiert, damit man von beiden Seiten reinkommt.

Witchcraft-Schlaufen sind an der Einstiegsseite größer als zur Brettmitte hin.Foto: WitchcraftWitchcraft-Schlaufen sind an der Einstiegsseite größer als zur Brettmitte hin.

Das ist ein wichtiger Punkt. Du schraubst sie nicht parallel, du schraubst sie asymmetrisch rein.

Ja, die inneren Schrauben sind näher zusammen als die äußeren, dadurch werden die vorderen Schlaufen zur Einstiegsseite geöffnet. Die Schlaufen sind auch extrem verstellbar, weil sie aus drei separaten Teilen bestehen. Man könnte einfach etwas vom Schaum abschneiden, wenn man sehr kleine Füße hat. Man kann sie auch extrem groß stellen. Und weil es separate Teile sind, kann man zum Reisen einfach das Schaumelement vom Klett abmachen, die Gurte flach aufs Brett legen und man muss die Schrauben nicht jedes Mal rausdrehen. Bei doppelter Verschraubung sind das zwölf Schrauben, das ist schon Arbeit. Das Schaumelement nimmst du einfach mit, das kann man auch austauschen.

Du machst nicht nur Bretter für die Welle, tatsächlich baust du auch Slalomboards.

Ja, wir sind nicht darauf fokussiert, wir bewerben das nicht vordergründig. Aber ich hatte gute Kunden, die meinten, “Ich fahre seit 10 Jahren mit meinem Witchcraft-Waveboard ohne irgendwelche Probleme, du musst mir ein Slalombrett bauen!”. Dann haben wir mit deren Hilfe Slalombretter entwickelt. Die sind etwas schmaler als die Bretter aus dem World Cup. Dort wird in nur 10-15 Minuten Vollgas gefahren und alle paar hundert Meter wird gehalst und wieder extrem beschleunigt. Deshalb sind diese Bretter breiter. Ein normaler Slalomfahrer fährt meist stundenlang und so lang es geht geradeaus, vielen ist ja der GPS-Speed wichtig. Da zählt eher die Kontrolle und eine höhere Endgeschwindigkeit, deshalb die schmalere Outline. Ich hatte zum Beispiel auch Kunden, die an ihrem Spot extremen Chop haben, da habe ich auch Freerace-Bretter mit mehr V drin gebaut, damit sie dort gedämpfter laufen. Sowas findest Du nicht unbedingt auf meiner Website, aber wer ein Brett für besondere Ansprüche haben möchte, kann eins bekommen, der Shape muss dann besprochen werden.

Dein eigenes Brett ist ein Flextail, was ist die Idee dahinter?

Ja, das ist speziell für Leichtwind-Wave-Bedingungen, bei denen man rausdümpelt oder früh gleiten möchte. Dadurch kann man die Rockerlinie etwas flacher gestalten. Wenn man dann in die Kurve geht, passt sich das automatisch an. Und das gibt dann einen enormen Kick durch den Turn, man beschleunigt in der Kurve nochmal. Aber wenn man das Gewicht ein bisschen nach vorne verlagert, bleibt das Heck gerade. Manchmal kann man damit in Leichtwind-Bedingungen noch um eine brechende Welle herumkommen, wo ein anderes Brett mit mehr Rocker einparken würde. Und beim Rausfahren gleitet man einfach schneller! Die Flextails machen wir nur als Customs.

Auch ein Flextail kann auf Wunsch bestellt werdenFoto: WitchcraftAuch ein Flextail kann auf Wunsch bestellt werden

Du baust die Bretter hier auf Fuerteventura, wie lange muss ich warten? Wahrscheinlich kann ich nicht bestellen und übermorgen das Brett mitnehmen.

Nein, wir haben jetzt eine Warteliste von fünf Monaten. Das ist immer etwas unterschiedlich. Wenn mal wieder viel Wind ist, dann häufen sich Bestellungen an, oft auch bis zum Sommer. Manchmal im Winter ist es ein bisschen weniger, vielleicht drei Monate. Wenn man aber Zubehör nachkaufen möchte, dann kann man das aber auch über unseren Online-Shop.

An der Nord- und Ostsee sieht man auch immer mehr Witchcraft Boards. Du verschickst also auch?

Ja, wir liefern weltweit. Der Transport dauert leider etwas, aber wenn man fünf Monate wartet, dann sind es für den Transport nur ein paar Wochen mehr. Oder man nutzt die Gelegenheit und kommt zu uns nach Fuerte, um das neue Material im Urlaub selber abzuholen.

Auch bei deinen Segeln ist es dir wichtig, dass sie gut Gleiten. Wie versuchst du das zu erreichen ?

Ja, hauptsächlich durch Profil im Segel. Nicht brutal viel, aber schon deutlich erkennbar, mit dem Druckpunkt weit vorne. Die Lattenprofilierung wird dadurch noch zusätzlich unterstützt. Ich gebe auch weiter oben noch etwas Profil, um auch dort Power herauszuholen. Durch diese Kombination erreiche ich, dass das ganze Segel mehr Vortrieb von unten heraus bekommt, aber es bringt auch Druckpunktstabilität im oberen Windbereich. Durch diesen Shape kann man kleinere Segel benutzen. Wenn du sonst ein 5,5er aufgeriggt hättest, reicht nun das 5,2er. Das ist für die meisten Fahrer erst einmal ungewohnt. Es ist aber so: Ohne das obere Profil, was den Druckpunkt höher setzt, müsste man für gleiche Power ein größeres Segel fahren. Ein größeres Segel hat aber mehr Gewicht und ebenfalls den Druckpunkt weiter oben, die Druckpunktstabilität wird schlechter. Bei unseren Segeln ist der Trimmbereich größer: Auch wenn man das Segel sehr bauchig aufriggt, bleibt der Druckpunkt vorne, und das Segel wird nicht schwammig. Das zieht einen dann nach vorne, da wo man ja hinwill. Der On/Off bleibt trotzdem gut, da Latten selber ja gerne gerade werden.

Nicht nur Boards, auch Segel entwickelt Bouke bei WitchcraftFoto: WitchcraftNicht nur Boards, auch Segel entwickelt Bouke bei Witchcraft

Welche Segellinien hast du?

Ich habe das Karma als Allround-Segel für eigentlich alle Bedingungen, egal ob Onshore Wave oder Sideshore Wave, Flachwasser oder Foilen. Dann das Slayer, das Sideshore Wave Segel, für unsere speziellen Bedingungen, mit schrägablandigem Wind. Das hat vier Latten und ein PVC-Fenster, um besser und länger durchschauen zu können. Das ist sehr wichtig bei Sideshore-Bedingungen. Bei allen Segeln haben wir die Bahnen so angeordnet, dass die Fasern und Nähte in Zugrichtung laufen. Nähte sind Überlappungen und funktionieren so als Verstärkungen. Richtung Schothorn und Trimmblock verbreitern sich die Nähte, damit sich die Paneele mehr überlappen. Dadurch entstehen aus dem Segel selber schon die Verstärkungen. Außerdem ist das Material im Vorliek und Segelfuß das stabilste, nach hinten und oben wird es dann immer leichter, wo es weniger zu halten hat. Am Achterliek braucht man wieder etwas Festeres, damit es bei einem Waschgang hält und das Segel sich nicht dehnt. Gewicht ist wichtig, aber ein ausgedehntes oder gar kaputtes Segel fährt noch schlechter.

Gewicht ist wichtig, aber ein kaputtes Segel fährt immer schlechter.”

Du bist seit 1993 mit Witchcraft hier auf Fuerteventura. Wie fing das alles an?

Ich habe damals zuerst bei Flagbeach gearbeitet, dann habe ich mich selbstständig gemacht. 10 Jahre hatte ich meinen Laden in Corralejo, da wurde es aber immer voller. Dann habe ich hier dieses Grundstück in der Nähe von Lajares gefunden, etwa zehn Kilometer südlich von Corralejo. Ein bisschen außerhalb vom Ort, wo man schön viel Platz hat und man machen kann, was man möchte. Man hat hier kein Parkplatzproblem, lebt recht frei und kann jeden Tag aufs Wasser. Wir wohnen in der Nähe, wo wir auch Apartments vermieten. Meine Frau Peggy macht die Buchführung und auch einiges von der geschäftlichen Seite, damit ich mich um die Technik und Entwicklung kümmern kann.

Du kommst aus Holland, wie ist es hier zu leben mit den Spaniern, mit den Insulanern? Ist das am Anfang schwierig gewesen?

Das ging recht okay. Ich komme selber von einer Insel, von Terschelling. Ich wusste immer schon, ich würde irgendwas selbstständig machen. In einer Firma habe ich nur mal als Praktikant gearbeitet, als ich mein Ingenieurstudium gemacht habe. Aber da habe ich gemerkt, nee, das möchte ich nicht. Und dann habe ich eine Ausbildung in der Baggerschule gemacht, um Kanäle zu bauen, Hafen-Infrastruktur, Landgewinnung und so weiter, da sind die Holländer ja spezialisiert drauf. Damals war ich viel für holländische Firmen im Ausland unterwegs, in Israel war ich, in England, Irland, Malaysia und dann die letzten zwei Jahre in Argentinien. Dort habe ich dann auch Spanisch gelernt. Das war natürlich später praktisch, als ich mich dann hier niedergelassen habe. Damals habe ich immer für zehn Wochen am Stückgearbeitet, zwölf bis vierzehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, und dann hatte man fünf Wochen frei. Wenn es zuhause in Holland Winter war, bin ich vor Ort geblieben, habe ein Auto gekauft, dann sind wir durch die Anden nach Chile gefahren oder ein anderes Mal mit ein paar argentinischen Windsurfern nach Ibiraquera. 1992 war das, da lief Kauli (Seadi, Wave-Weltmeister von 2007, Anm. d. Red.) da noch in Windeln rum. Ja, das war eine schöne Zeit. Mit solchen Arbeiten verdient man gutes Geld und das habe ich dann gespart, um mich irgendwo selbstständig zu machen. Es ist zwar schön, viel von der Welt zu sehen, Hotels und Flüge bezahlt zu bekommen, aber irgendwann wollte ich selber was machen. Ich habe immer gedacht, vielleicht eine Surfstation. Deswegen habe ich dann in Pelzerhaken beim VDWS eine Surflehrer-Ausbildung gemacht, bin dann hier nach Fuerteventura gegangen und habe zuerst als Surflehrer gearbeitet. Aber dann habe ich gemerkt, wenn man Surflehrer ist, muss man ja arbeiten, wenn es Wind hat (lacht). Bretter habe ich als Hobby schon auf Terschelling gebaut, dann habe ich mein Werkzeug mitgenommen und habe angefangen, hier Bretter zu reparieren und später auch zu bauen. Ich habe also aus meinem Hobby mein Beruf gemacht, viel besser geht es nicht.

Du lebst hier, da wo andere Urlaub machen, du hast das ganze Jahr Wärme, du hast viel Wind hier. Könntest du dir vorstellen, das irgendwann wieder aufzugeben und wegzugehen von Fuerteventura?

Nein! (lacht) Ich kann mir vorstellen, dass wir mal längere Reisen machen. Das machen wir jetzt auch im Sommer manchmal, mit dem Wohnmobil durch Europa. Wir haben hier schön lange Schulferien von Mitte Juni bis Mitte September. Bis Mitte August muss ich hier noch sein, aber dann hauen wir für drei oder vier Wochen ab und tuckern von hier zum Beispiel bis nach Holland und dann wieder zurück.

Was sind denn deine Pläne mit Witchcraft?

Im Prinzip so weiter machen wie bis jetzt. Der Windsurfmarkt steht ja unter großen Druck. Wegen anderen konkurrierenden Sportarten, älter werdenden Windsurfern mit weniger Nachwuchs und auch wegen der wirtschaftlichen Lage. Der Markt wird sich gesundschrumpfen müssen. Deshalb denke ich, der Markt sollte sich mehr um seine Kunden sorgen. Im Vergleich zu anderen Sportartikeln wie zum Beispiel Mountainbikes sind Windsurfbretter und vor allem Waveboards oft deutlich weniger haltbar. Das schadet dem Sport. Man sollte nicht versuchen, dem Kunden so viel wie möglich aus der Tasche zu klopfen, sondern gut durchentwickelte, langlebige, nachhaltige Produkte anzubieten. Hier liegt meines Erachtens die Pflicht bei den Produzenten, aber auch eine Verantwortung bei den Medien. Alle leben schließlich von den Kunden, und die sollen eine gute Zeit auf dem Wasser haben in dem Wissen, dass sie eine gute Auswahl an guten Produkten haben. Zu oft ist es wohl schon passiert, dass ein Produkt zu schnell und aus Marketinggründen auf den Markt geschmissen worden ist und erst von den Kunden getestet werden musste. Das kann ich gar nicht bringen, da wäre ich schon lange weg. Die Locals hier und auch ein Großteil meiner langjährigen Kunden sind ziemlich Marketing-resistent und würden sowas sofort merken. Wenn bei mir eine neue Entwicklung dazukommt, dann finde ich, das es den Bedarf für eine Änderung oder etwas Neues gibt. Hin und wieder bekomme ich Inspirationen von meinen Kunden, aber vor allem ist auch das Feedback von meinen in der Welt verteilten Teamfahrern eine wichtige Quelle für mich.

Ich bin eher Techniker als Manager.”

Wir sind ja eine kleine und flexible Marke mit Fokus auf sehr guter Qualität. Das soll so bleiben. Wir bieten ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis und wollen unsere sehr loyalen Kunden gern halten. Bisher ist uns das so ganz gut gelungen, denke ich, und ich bin da sehr optimistisch. Manchmal sagen potentielle Kunden, die nicht so lange auf ein Brett warten wollen, dass ich doch die Produktion erhöhen sollte. Ja, finanziell wäre das sicherlich attraktiv. Aber erstens ist mein Fokus, die hohe Qualität zu halten und flexibel zu bleiben, und das wäre schwieriger für mich, wenn ich einen großen Apparat unterhalten müsste. Ich selbst arbeite lieber direkt und mit einem kleinen Team, guten Teamfahrern, auch die Materialbeschaffung und -Erforschung oder neue Entwicklungen sind mir da viel wichtiger. Es ist auch durchaus beruhigend zu wissen, noch Aufträge für vier bis fünf Monate zu haben, da kann man besser planen, Material beschaffen und so weiter. Aber ja, mit unseren ganzen eigenen Produkten wie den Finnen, Segeln, Mastverlängerungen und so weiter, könnten wir sicher in die Massenproduktion gehen und damit dann ungeduldige Interessenten glücklicher machen. Aber dann müsste man sich insgesamt größer aufstellen und bedeutend mehr Marketing betreiben. Das ginge ja, aber nur mit einer großen Investition oder den richtigen Partnern. Ich bin eher Techniker als Manager.

Bouke, danke für das Gespräch!

  • Mehr Infos zu den Modellen, Konstruktionen, Optionen und Preisen findet ihr unter witchcraft.nu

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