Den Weg übers griechische Festland nehmen die meisten Surfer nur als notwendiges Übel wahr, das man möglichst schnell hinter sich lassen sollte.
Wir alle kennen die bekannten Surfspots wie Rhodos, Karpathos, Naxos oder Paros, alle mit entsprechender Infrastruktur. Wer das braucht, der sollte hier gar nicht weiterlesen (es sei denn, man ist neugierig), denn Tsimari ist genau das Gegenteil: Natur pur. Flamingos, Pelikane, Schwäne, Störche und frei laufende Rinder tummeln sich ständig am Spot. Man kommt sich vor wie im Zoo, nur ohne Eintritt und ohne Zaun.
Tsimari bietet sich für diejenigen an, die dank Camper mobil und halbwegs autark sind und auch mal auf frische Brötchen am Morgen verzichten können, denn der nächste Ort ist knapp 20 Kilometer entfernt. Trotzdem ist weniger oft mehr im Leben, denn bei entsprechenden Bedingungen ist Tsimari purer Flachwasser-Luxus – vermutlich der beste Flachwasserspot in Griechenland.
Die Atmosphäre dort ist etwas ganz spezielles – alle sind entspannt und freundlich. Wer nicht selbst kocht, der kann am Abend in die zusammengeschusterte „Kantina“ an der Lagune gehen, wo Einheimische, Badegäste, Kiter und Surfer noch ein Bier oder einen Wein trinken und den leckeren griechischen Salat, die selbstgemachten Pommes und Souvlaki „a la Großmutter“ essen. Souvlaki ist zwar sonst nicht so unser Favorit, aber dort waren sie extrem lecker und sowieso das Einzige auf der Speisekarte. Obwohl die „Kantina“ keine Konkurrenz hat und im Niemandsland gelegen ist, sind die Preise unschlagbar günstig.
Eine andere Welt
Wer nur die Fotos betrachtet, könnte Tsimari fast in Südamerika vermuten. Allein die Fahrt dorthin, durch die Lagune von Mesolongi am Golf von Patras, versetzt einen in eine andere Zeit und an einen anderen Ort. Mesolongi liegt unweit der Hafenstadt Patras in einer Ebene, die im Laufe der Jahrhunderte, im Mündungsgebiet der Flüsse Acheloos und Evinos, durch natürliche Anschwemmungen aufgeschüttet wurde. Knapp 20 Kilometer nordwestlich befindet sich auf einer Insel am anderen Ende der rund 33 Quadratkilometer großen Lagune von Mesolongi noch der kleine Ort Etoliko – sonst ist hier nicht viel geboten. Die Lagunenstadt Mesolongi hat zwar 13.000 Einwohner, aber nur zwei Hotels und dazu einige kleine Privatunterkünfte – die Kapazitäten sind also für Nicht-Camper begrenzt. Wer hingegen Ruhe und Abgeschiedenheit liebt, ist hier genau richtig, unabhängig von den Surfbedingungen. Bei einer Kanu- oder SUP-Tour durch die von Flamingos bevölkerte Lagune oder auf einer Radtour entlang der Küste, vorbei an Fischerhütten und vorgelagerten Inseln, kann man einen Flautentag gut verschmerzen.
Fährt man von Mesolongi Richtung Etoliko, sieht man immer wieder große Salzaufschüttungen. In einigen Becken ist der Salzgehalt des Wassers so hoch, dass man sich, wie im Toten Meer, ganz einfach aufs Wasser legen und Zeitung lesen kann. Duschen gibt es natürlich keine – man bringt sich Süßwasser zum Beispiel in Kanistern mit.
Unterwegs im Delta
Wie Mesolongi ist auch Etoliko mit nur 4.300 Einwohnern ein beschauliches Städtchen mitten in der Lagune. Westlich von Etoliko liegen die Mündungsgebiete des Evinos und des Acheloos, des mit 170 Kilometern längsten griechischen Flusses. Wo nicht Mais, Baumwolle, Zitrusfrüchte und Oliven angebaut oder Rinder gehalten werden, überzieht Salzsteppe die trocken gefallenen Lagunenböden. In den Orten spielt der Tourismus überhaupt keine Rolle – in einfachen Tavernen wird man noch zu zweit für 15 Euro pappsatt und bekommt sogar noch ein Viertel Wein dazu. Nur Übernachtungsmöglichkeiten findet man hier kaum – Tsimari ist eben wie aus einer anderen Welt.
Deutlich belebter geht es entlang der Spots am Golf von Korinth zu. Wer von Patras kommend ohnehin zum Fährhafen von Piräus muss, um auf eine der Inseln überzusetzen, kommt an Spots wie Kato Alepochori oder Loutraki fast unmittelbar vorbei. Im Gegensatz zu Tsimari, das bei westlicher Thermik ein Tipp ist, funktionieren Loutraki und Kato Alepochori bei Meltemi, der hier aus nördlicher bis nordöstlicher Richtung ankommt. Je nach Stärke, schaufelt er sogar kleine Brandungswellen an den Strand, die für eine Sprungsession wie geschaffen sind. Während in Tsimari eher Individualisten und Naturfans glücklich werden, ist es hier, entlang des Golf von Korinth, auch deutlich belebter, mit entsprechender Infrastruktur und unzähligen Sightseeing-Möglichkeiten. So liegen einige der wichtigsten archäologischen Stätten Nordgriechenlands nur einen Katzensprung entfernt, darunter der Kanal von Korinth, Epidaurus, die Akropolis oder Olympia.
Keine Frage, die griechischen Inseln haben ihren Reiz. Aber wer auf dem Weg dorthin mal links und rechts schaut, entdeckt schnell, dass die Region richtig viel zu bieten hat: Einsame Natur, viel Wind und ein reichhaltiges kulturelles Angebot. Vielleicht kann euch ja dieser Guide dazu bewegen, auf eurer nächsten Reise den Weg zum Ziel zu machen und dabei völlig Neues zu entdecken.
Tsimari & andere Geheimspots - allgemeine Infos:
Anreise: Die folgenden fünf Spots befinden sich allesamt „am Wegesrand”. Wer sich also auf der Durchreise von Patras in Richtung des Fährhafens Piräus befindet und plant, mit der Fähre weiter auf eine griechische Inseln zu fahren, kommt an einem oder mehreren der genannten Spots vorbei.
Wohnen & Campen: Der westlichste Spot dieses Guides, Tsimari und der am weitesten östlich gelegene, Loutsa, bilden quasi die absoluten Gegensätze: Tsimari ist unvergleichlich abgeschieden, spotnahe Wohnmöglichkeiten sind hier dementsprechend rar. In Loutsa, östlich von Athen, gibt’s dagegen das komplette Infrastruktur-Paket bestehend aus Unterkünften aller Preisklassen, Surfschulen, Gastronomie und entsprechendes Nachtleben. Drepano, Kato Alepochori und Loutraki liegen nicht nur geographisch, irgendwo dazwischen. Wildcampen ist in Griechenland generell verboten, vor allem in der Hauptsaison wird konsequent kontrolliert und auch abkassiert – bitte sucht die offiziellen Stell- und Campingplätze auf. Direkt an den Spots befinden sich leider oft keine offiziellen Campingplätze. Ausnahmen sind Kato Alepochori mit dem Camping Poseidon (www.campingposeidon.gr) und Loutraki/Lehaio mit dem Camping Blue Dolphin (www.camping-blue-dolphin.gr). Der von Loutsa aus nächstgelegene Campingplatz befinden sich in Nea Makri, etwa 18 Kilometer entfernt (www.campingneamakri.gr).
Wind, Wetter & Neoprenempfehlungen: Natürlich gibt es zwischen Patras und Athen noch viel mehr Spots, als die fünf hier beschriebenen. Wir wollen euch in diesem Guide ganz bewusst einige Reviere präsentieren, die bei unterschiedlichen Windbedingungen funktionieren – so habt ihr auf der Durchreise immer mindestens eine passende Option. Der im Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) häufigste Wind ist der Meltemi, der durch ein Hitzetief über der Ägäis und dem türkischen Festland entsteht und im nördlichen Teil Griechenlands aus Nord bis Nordost weht. Bei Meltemi-Lage sind Kato Alepochori, Loutraki und vor allem Loutsa gleichermaßen belüftet. Bleibt der Meltemi aus, stellt sich oft eine leichte Westströmung ein, die an einigen Spots lokal verstärkt wird. Dazu gehören Drepano und der „Geheimspot” Tsimari. Eine Westthermik von acht bis 12 Knoten verstärkt sich an diesen Spots auf 15 bis 20 Knoten, an guten Tagen bis auf 25 Knoten.
Generell reicht im Frühsommer und Herbst ein 4/3er Neo, im Hochsommer tun es dann angesichts von 25 Grad Wassertemperatur und deutlich über 30 Grad Luft Shorty oder Boardshorts.
Surfschulen & Shops: Wer mit eigenem Material anreist, ist an den meisten Spots klar im Vorteil. Nennenswerte Surfinfrastruktur gibt‘s vor allem rund um Loutsa. Hier kann man in mehreren Centern Kurse belegen und Material ausleihen:
- Tony Frey Windsurf Center: www.tonyfrey.gr
- Athens Watersports: www.athenswatersports.gr
- Nissakia Surf Club: www.nissakia.gr/en
Ersatz bei Materialbruch gibt es in Loutsa:
- Right Stuff: www.rightstuff.gr
- Windsurfing at 100: www.windsurfingat100.gr
Gut zu wissen: Bleibt der Wind mal aus, kann es auf dem griechischen Festland vor allem im Hochsommer brüllend heiß werden. Sonnenschutz ist an Land und auf dem Wasser essenziell. An Spots wie Tsimari sind auch reichlich Stechmücken unterwegs, entsprechender Mückenschutz wird empfohlen.
An windigen Wochenenden pilgern Einheimische und Touristen ans kühle Wasser, an Spots wie Loutsa kann es dann richtig voll werden.
1. Tsimari
Der Lagunenspot bei Mesolongi ist kaum bekannt, gilt bei Insidern aber als bester Flachwasserspot Griechenlands. Beachtet werden sollte, dass sich der Strandstreifen durch die unterschiedlichen Windbedingungen verändert. Teils sind die Streifen fest und man kann sie mit dem Auto befahren und parken. Es empfiehlt sich das zu überprüfen, da sonst Festfahren droht. Ansonsten kann an der Straße geparkt werden, ins Wasser einsteigen kann man quasi überall. Tsimari ist eine 300 Meter breite und etwa 1,3 Kilometer lange Salzwasserlagune, die durch einen flachen, etwa 50 Meter breiten Strandstreifen vom Meer abgetrennt ist. Der aus westlicher Richtung kommende Wind weht daher ungehindert und konstant in die Lagune. Die Wellen werden von der flachen Sandbank geblockt. Der Clou an Tsimari ist, dass die Lagune an der Leeseite der Sandbank sofort brusttief ist, so kann man einen Meter vom Sand entfernt surfen – glatteres Wasser findet man kaum. Weiter in Richtung Lee wird die Lagune immer flacher. Abtreiben ist somit unmöglich, trotzdem sind zwei Drittel der Lagune auch mit längeren Finnen nutzbar. Der Untergrund ist sandig, einige wenige Hindernisse sind gekennzeichnet. Damit eignet sich Tsimari als perfektes Übungsrevier, egal ob man an der ersten Halse oder am Double Culo tüftelt. Surfen kann man in Tsimari auch auf dem offenen Meer bei auflandigem Wind, allerdings dann eher im Kabbelwasser. Bei stärkerem Westwind kann auf den vorgelagerten Sandbänken auch mal ein Meter Welle ankommen. Im Spätsommer gibt es dort vermehrt Seegras. Theoretisch kann auch in der Süßwasserlagune des Achelos gesurft werden – wenn das nicht der Hotspot der Kiter wäre. Das ungeschriebene Gesetz in Tsimari ist, dass Kiten in der Süßwasserlagune und Windsurfen in der Salzwasserlagune stattfindet.
2. Drepano
Auch wenn das Wasser in Drepano nicht ganz so glatt bleibt wie in Tsimari, so haben die beiden Spots doch durchaus Parallelen. Auch Drepano ist in weniger als 45 Minuten vom Fährhafen Patras zu erreichen. Einfach „Cape Drepano” bei GoogleMaps eingeben. Drepano funktioniert ebenfalls nicht bei nördlichem Meltemi sondern in erster Linie bei westlichen und östlichen Winden, die hier aufgrund der geographischen Lage und thermischer Effekte verstärkt werden. Da die üblichen Vorhersagen die lokale Verstärkung nicht berücksichtigen, lohnt sich der Weg nach Drepano schon, wenn Windfinder & Co acht bis 10 Knoten Grundwind aus West oder Ost ansagen. Der Wind pfeifft über eine flache Landzunge aus Kies. Auf der jeweiligen Leeseite gibt’s dann vorzügliches Flachwasser, welches das Herz von Freeridern, Tricksern und Slalom-Fans gleichermaßen höher schlagen lässt. Je nach Saison muss man sich allerdings hier mit vielen Kitesurfern arrangieren, vor allem am Wochenende wird’s auch mal voll. Weiter draußen entstehen, je nach Windstärke, moderate Chops, die auch für kleine Sprünge taugen. In unmittelbarer Umgebung gibt’s hier auch etwas Infrastruktur in Form von Unterkünften und einigen Tavernen. Geparkt werden kann direkt am Spot.
3. Loutsa
Loutsa ist einer der City-Spots Athens – in der Hauptsaison und an den Wochenenden herrscht hier Hochbetrieb. Im Gegensatz zu Drepano und Tsimari funktioniert Loutsa bei klassischem Meltemi aus Nord bis Nordost sowie auch bei Südost, der hier thermisch etwas verstärkt wird. Im Umkreis gibt es sämtliche Infrastruktur wie Übernachtungsmöglichkeiten aller Art, Restaurants, Supermärkte und Surfschulen. Der Hauptspot Loutsa/Artemida bietet einen angenehmen Einstieg über einen flachen Sandstrand. Am Ufer gibt’s einen kleinen Stehbereich, die Bucht selbst ist aber ebenfalls für Aufsteiger ein sicherer Spot. Südostwind weht sehr moderat und kommt auflandig am Spot an, normaler Meltemi aus Nord bis Nordost weht dann sideshore von links. Das Wasser bleibt, abgesehen von einigen Kabbelwellen, recht glatt, was Loutsa/Artemida zu einem tollen Übungsrevier macht. Wer es welliger mag, kann am Luvende der Bucht, am Spot Nissakia, auch in echten Brandungswellen surfen. Diese werden bei starkem Meltemi bis zu zwei Meter hoch und erlauben satte Sprünge. Der Preis ist ein steiniges Riff samt schmalem Einstieg und auch die zahlreichen Kiter sowie die schlechte Parksituation tragen hier nicht gerade zur Entspannung bei.
4. Kato Alepochori
Von der Autobahn 8 sind es ab Megara nur rund 30 Minuten bis nach Kato Alepochori am Golf von Korinth. Der kleine Ferienort ist zum Windsurfen bei gleich zwei Wetterlagen attraktiv. Bei Meltemi aus Nord bis Nordost fährt man die Uferstraße in Alepochori vom Hafen aus in Richtung Westen. Nach etwa 800 Metern kann man beim “Tramonto Cafe” gut einsteigen. Der Wind kommt dann sideshore von rechts und sorgt für unkomplizierte Bedingungen. Diese reichen, je nach Windstärke, von Flachwasser bis hin zu Bump & Jump mit einem Meter Chop. Der Strand ist sandig, kieselig und nur teilweise etwas steinig. Folgt man der Uferstraße weiter, finden sich auf etwa 1,5 Kilometern Länge weitere gute Park- und Einstiegsmöglichkeiten. Der Meltemi kommt dann leicht schräg auflandig oder sogar auflandig. Auch Westwind funktioniert hier gut. Dann startet man am Hafen aus einer kleinen Bucht (Sand/Kiesel/Steine), wo der Wind sideshore von links weht. Bei starken Westwind kann es hier bis zu 1,5 Meter hohe Dünungswellen geben, die zum Springen einladen. Aber auch an Land kann man es hier gut aushalten – es gibt Cafés, Bars, Tavernen, kleine Supermärkte und auch einige Übernachtungsmöglichkeiten.
5. Loutraki & Lehaio
Loutraki (ca. 11.500 Einwohner) liegt nahe an Korinth und Athen – und damit unweit vieler Sehenswürdigkeiten. Der Spot funktioniert bei Meltemi, dann parkt man am besten in der Nähe des „Beach Club Cocoon”. Der Wind kommt hier am Bedestrand sideshore von rechts. Das Wasser ist meist flach, bei Starkwind gibt’s bis zu einem Meter hohe harmlose Wellen. Oft ist der Wind in Loutraki am Vormittag und am späten Nachmittag am stärksten. Vom Parkplatz zum Strand (Sand/Kiesel) sind es hier nur wenige Meter. Weil es vor Ort auch eine gute Infrastruktur mit Bars, Cafés und Duschen gibt, bleiben keine Wünsche offen. Bei West- bis Nordwestwind kann man an der „Café Bar Alterra” aufs Wasser, hier gibt es viele Parkmöglichkeiten. Der Wind kommt leicht auflandig und bringt, je nach Windstärke, bis zu 1,5 Meter Welle mit, die am überwiegend aus Sand und Kies bestehenden Strand gemächlich ausrollt.
Local-Tipp: Bläst der Meltemi aus Nordost sehr stark, kann man in das 16 Kilometer entfernte Lechaion („Lehaio“) ausweichen. Vor dem Ort Lehaio gibt es an der „Sabbia Beach Bar”, kurz vor dem Campingplatz Blue Dolphin, einen guten Startplatz. Der Strand ist hier sandig bis kieselig, es gibt 20 bis 50 Meter Stehbereich und der Wind weht schräg auflandig. Je nach Windstärke schaufelt der Meltemi bis zu einem Meter Welle heran, weht aber 1 bis 2 Bft. weniger stark als in Loutraki.