Kennst du das Gefühl, wenn du morgens voller Freude wach wirst und weißt: Heute wird ein guter Windsurftag. Die Tage des Wartens sind vorbei, du checkst noch mal kurz die Windvorhersage, informierst deine Surfkumpels und fährst voller Erwartungen mit gepacktem Bulli zum Surfspot. Fragen schießen dir durch den Kopf: Welches Board soll ich fahren? Wie stark wird der Wind wohl sein? Was könnte ich üben? Du kommst am Spot an, und es hat Schaumkronen. Die Bäume biegen sich. Als du gerade fertig mit dem Aufriggen bist und dich ins Wasser begibst, fällt dir auf, dass keiner mehr so ins Gleiten kommt. Ach, vielleicht nur ein kurzes Windloch. Du gehst raus, doch dem Wind geht allmählich ganz die Puste aus. Gefrustet wartest du am Strand, bis du schließlich abbaust. Dieses Szenario ist leider manchmal Teil unseres Sports. Wir sind sehr von der Natur abhängig – und in unserem Fall vor allem vom Element Wind.
Als Windsurfprofi kennt man dieses Problem allzu gut. Der Wind ist quasi mein Arbeitgeber, mein Freund, und bringt mich manchmal zum Schäumen. Etliche Tage habe ich in meinem Leben auf ihn gewartet. Ohne ihn geht leider nichts, und ich habe mich über die Zeit daran gewöhnt. Hin und wieder wäre die Vorstellung trotzdem genial, wenn man die Uhr nach dem Wind stellen – und das mit dem Windsurfen einfach besser planen könnte. So auch heute.
Der Lac Monteynard ist einer der windsichersten Orte Europas
Ich befinde mich mit dem kompletten GunSails-Team auf einem Roadtrip durch Frankreich. Wir sind mit Wohnmobilen unterwegs und sollen innerhalb von einer Woche die komplette Kollektion der neuen Segel auf dem Wasser abfotografieren. Da wir zwischen den Wettkämpfen nur ein kleines Zeitfenster haben, um das gesamte Team zusammenzubringen, entscheiden wir uns ganz flexibel, mit unseren Bullis dem Wind zu folgen. Die Wettervorhersage für Südfrankreich sieht bombastisch aus. Knallrot. Und das über ein paar Tage. Sollte also kein Problem sein, ein paar gute Shots und Filmmaterial in den Kasten zu bekommen. Doch leider kommt es anders: Der Wind schafft es irgendwie nicht. Wir haben ein paar gute Bilder, aber nichts Spektakuläres. Die Wasserfarben sind teilweise bräunlich, es gibt überfüllte Spots und sehr wechselhafte Bedingungen. Wir surfen an sechs verschiedenen Spots von Hyères, La Ciotat, Marseille und in der Camargue. Doch am Ende der Tage ist die Ausbeute nur sehr dürftig.
Unser Fotograf Julian Robinet ist sichtlich gefrustet. Nach fünf Tagen rollen wir die Segel zusammen und machen uns auf die Rückreise. Wir haben von jedem Segel ein paar Bilder, aber mehr war einfach nicht drin. Julian scrollt durch die Best-of-Selection. „Das Problem sind vor allem die Wasserfarben, wir bräuchten ein türkisblaues Gewässer – einen Bergsee vielleicht.“ Ich rufe meinen See-Experten Balz Müller an, wir planen einen Schwenker durch die Schweiz zu fahren. Vielleicht bekommen wir da noch eine Session in den Kasten, bevor es zum nächsten Worldcup geht? Balz hat ein paar gute Tipps, aber die Windvorhersage stimmt auch hier nicht. Totale Flaute! Wir verwerfen die Pläne. Wir befinden uns im Rhonetal, als ich bei meiner Recherche nach potenziellen Spots auf einen See namens Lac Monteynard stoße, der angeblich zu einem der windsichersten Seen Europas zählt.
Türkises Wasser, blauer Himmel, grüne Wiesen
Ich rufe unseren französischen Slalomfahrer Cyril Moussilmani an, der dort früher oft trainiert hat. Er schickt mir einen Kontakt von seinem Freund Edouard, der vor Ort eine Surfschule betreibt. „Sieht gut aus für heute, die Thermik sollte in ein paar Stunden kommen“, erklärt er mir in holprigem Englisch. Daraufhin biegt unser Team Konvey bei der nächsten Ausfahrt rechts in Richtung Grenoble ab. Zwei Stunden später befinden wir uns am Ufer des Lac Monteynard. Die Kulisse ist einzigartig: Der Stausee schlängelt sich über eine Länge von 23 Kilometern durch ein schmales Tal. Türkisfarbenes Wasser, blauer Himmel, eingerahmt von saftig grünen Wiesen. Nur eines fehlt – Wind. Das Wasser ist mal wieder spiegelglatt.
An der Surfschule empfängt uns einer der Surflehrer: „Baut schon mal die Segel auf, der Wind sollte gleich da sein.“ Etwas skeptisch schaue ich die anderen Jungs an. Wir riggen unsere Segel auf. Innerhalb von 20 Minuten wird der Wind immer stärker, als hätte jemand den magischen Schalter gedrückt. 15 bis 20 Knoten Böen huschen über den glatte See. Wir beeilen uns und hechten aufs Wasser. Voll Power gleiten wir mit Schaumkronen über einen See, während weit und breit im Raum Europa Flaute herrscht.
So funktioniert die Thermik am Lac Monteynard
Der Stausee erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung, und an den Ufern sorgen Berge für einen Düseneffekt. Ein vorherrschender Nordwind wird bei Sonne oft durch die Thermik verstärkt.
Wenn der Wind in der Achse des Sees weht, ergibt sich zwischen zwölf und 18 Uhr ein Düseneffekt von 15 bis 20 Knoten. Die Temperatur schwankt zwischen durch- schnittlich zwölf und 23 Grad. Vor allem, wenn die Wetterlage sonnig ist und auch im Rhonetal Mistral herrscht, wird der thermische Wind noch zusätzlich verstärkt.
Durch diese Phänomene zählt der Lac Monteynard vor allem in den Sommermonaten zum zweitwindigsten Binnengewässer Europas. Nur der Gardasee hat da noch ein paar mehr Windtage. Den See gibt es erst seit 1961, er wurde nach dem Bau einer 145 Meter hohen Staumauer künstlich angelegt und wird als Wasserreservoir für ein Elektrizitätskraftwerk gebraucht.
Wir sind mit Foil-, Freeride- oder Wingboard und Segel von 5,7 bis 7,0 Quadratmetern ausgestattet – und lassen es auf dem Wasser krachen. Endlich passt alles. Es macht mega Spaß, vor dieser einzigartigen Kulisse in 300-Meter-Runs mit mehreren Fahrern hin und her zu racen – gefolgt von einer Drohne. Das Bergpanorama im Hintergrund tut sein übriges: Freeride Heaven! Wir surfen, bis die Sonne hinter den Bergen verschwindet, und sind dankbar, einen neuen Spot für uns entdeckt zu haben. Auch landschaftlich hat die Gegend viel zu bieten. Man kann wandern, biken – und die höchsten Berge der Alpen sind auch nicht weit entfernt. Wenn man in den Sommermonaten in Europa viel aufs Wasser will und keine Lust mehr auf Flauten-Urlaube hat, kann dieser Spot definitiv Abhilfe schaffen.
Wenn ich hier eine Windsurf-Station hätte, würde meine Werbung wohl wie folgt lauten: an alle Freeride-Piloten da draußen – ab jetzt ist Schluss mit Warten! Hier kann man die Windsurf-Session in den Sommermonaten auch ganz einfach mit der Uhrzeit im Kalender planen. Surfst du schon? Oder wartest du noch?
Fakten und Spots Lac Monteynard
Der Lac Monteynard ist ein Stausee in den französischen Alpen (cirka 50 Kilometer südlich von Grenoble) und liegt auf einer Höhe von fast 600 Metern. Zwei Dämme stauen den Fluss Le Drac und werden zur Energiegewinnung genutzt. Der südliche Teil des Sees, der zum Wassersport genutzt werden kann, ist ungefähr zehn Kilometer lang, aber nur maximal 300 Meter breit.
Der Lac Monteynard liegt inmitten einer atemberaubenden Naturlandschaft. Umgeben von hohen Bergen, steilen Felswänden und dichten Wäldern, bietet der See eine beeindruckende Kulisse für viele Outdoor-Aktivitäten. Die spektakuläre Hängebrücke Passerelle Himalayenne ganz im Süden ist eine der Hauptattraktionen am Lac Monteynard. Sie überspannt den See mit einer Länge von 180 Metern und einer Höhe von 45 Metern – und bietet einen tollen Panoramablick auf den See und die umliegenden Berge. Beste Reisezeit zum Windsurfen ist Mitte Mai bis Ende September. Im Winter ist das Wasser allerdings extrem kalt (Schnee und Höhe), der Kraftwerkbetreiber EDF senkt dann den Wasserstand des künstlich angelegten Sees.
Spots und Surfstationen am Lac Monteynard
Der beste Ort zum Windsurfen ist der Club Srvg, hier ist der Wind am konstantesten und stärksten. Die Surfstation bietet Segel und Wings von GunSails und anderen Herstellern. Etwas nördlich davon befindet sich der Kite-Beach zwischen dem städtischen Campingplatz und dem Strand von Mira. Mehr Infos gibt’s hier. An einigen Stellen ist Windsurfen auch verboten, deshalb ist es ratsam, sich vor der Session zu informieren – bevor man aufs Wasser geht. Insgesamt kann es im Sommer an windigen Tagen auch mal richtig voll werden.
Weitere Surfstationen:
Strände gibt es sowohl am Ost- als auch am Westufer, wobei letzteres mehr Infrastruktur bietet. In den Sommermonaten ist eine Reservierung, vor allem an den Wochenenden, auf den Campingplätzen empfehlenswert. Wildes Campen ist strengstens verboten und wird kontrolliert.
Campingplätze
- Camping de La Plage**: Ab Mitte Februar geöffnet. 38650 Treffort, Tel.: +33-4-76340631
- Camping d‘Herbelon ***: Vermietung von Mobilheimen, Restaurant Le Campagnard: Herbelon - 38650 Treffort Tel.: +33-4-76340547
- Campingplatz von Savel **: 38350 Mayres-Savel, Tel.: +33-4-76811479
Ans Wasser kommt man meist in der Nähe von Campingplätzen – wie zum Beispiel dem Camping de La Plage oder dem Camping d’Herbelon. Am Seeufer befindet sich nur ein Hotel: das Schloss Herbelon. Es ist aus dem 17. Jahrhundert und verfügt über neun Zimmer. In den Sommermonaten, vor allem an deren Wochenenden, ist eine Reservierung empfehlenswert. Ansonsten wird häufig auch Airbnb angeboten.
Mountainbike-Touren am Lac Monteynard
Neben dem Windsurfen bietet die Region um den Lac Monteynard herausragende Mountainbiketouren. Die bekannteste führt um den See herum und bietet spektakuläre Ausblicke auf das Wasser und die umliegenden Berge. Die Tour kann je nach Fitnesslevel und Präferenzen angepasst werden und führt durch malerische Dörfer und atemberaubende Landschaften. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Bikeparks in der Umgebung – sowie Verleihstationen und geführte Touren.