Ein Tutorial, das mehr Text als Bilder enthält, ist meist ein sehr schlechtes. Aber manchmal braucht es genau das, mehr Worte, um hinter die Geheimnisse zu kommen und ich hoffe, dass ich dem einen oder anderen von euch damit helfen kann, den Aerial zu knacken. Es sind vor allen Dingen Tipps, die mir selbst weitergeholfen haben. Und manchmal war bei diesen vermeintlich “kleinen Tipps” auch ein echter Gamechanger dabei. Das war der Fall, als ich Graham Ezzy bei seiner Windsurfing Masterclass begleiten durfte, und Graham seinen Schülern den Tipp gab, in die Knie zu gehen, noch bevor (!) man in den Bottom Turn geht. Was so banal klingt und kaum relevant, hat mir tatsächlich zum Durchbruch verholfen. Es ist nämlich der Schlüssel, um den Drive zu generieren, den man braucht, um mit Geschwindigkeit oben an der Lippe wieder anzukommen. Und genau das brauchen wir für kraftvolle Cutbacks und auch für den Aerial.
Hinweis: Wer an einer Windsurfing Masterclass bei Graham Ezzy interessiert ist, der hat auch dieses Jahr die Möglichkeit, daran teilzunehmen. Unter anderem finden diese in Marokko (15.-21. Juni) , Tenerifa (3.-10. August) und auch wieder in Dänemark statt (7.-15 September) statt - hier gibt’s alle Infos.
Aufgenommen hat die Sequenz surf-Redakteur Manuel Vogel bei einer winterlichen Test-Session in Dazendorf. Die Welle war kaum einen Meter hoch aber kraftvoll brechend - und das ist perfekt zum Üben. Die komplette Sequenz findet ihr oben - klickt euch durch! Die einzelnen Knackpunkte haben wir weiter unten nochmal detailliert aufgegriffen.
Vorbereitung - Speed generieren für den Aerial
Von Graham Ezzy habe ich gelernt, wie wichtig die Vorbereitung ist, auch beim Wellenabreiten. Denn indem wir einen Teil des Bewegungsablaufs vorwegnehmen, können wir den darauffolgenden reduzieren und es wird alles einfacher. Ich hatte bis dato oft den Fehler gemacht, mit viel Speed die Welle runter zu surfen, in der Hoffnung, mit Geschwindigkeit an der Lippe oben anzukommen. Die Zeit, das Wellenface in Ruhe anzuschauen, mich vorzubereiten, hatte ich dabei nicht. Dadurch wurden das Timing und der Aerial oft zu einem Zufallsprodukt. Mache also genau das Gegenteil. Auch wenn es am Anfang bedeutet zu scheitern und du es nicht schaffst, die Geschwindigkeit zu generieren. Es ist der richtige Weg, um vor allen Dingen das richtige Timing zu bekommen und nah am Wellenface zu bleiben. Letzteres ist das, was wir für den Aerial brauchen.
Setze dich also auf eine noch runde Welle. Bereite dich vor, indem du das Brett etwas nach Lee steuerst und dir das Wellenface dabei anschaust. Greife breiter und gehe bereits hier schon in die Knie. Schau nach einer Welle, die am Ende deines Bottom Turns oder Wellenritts zumacht. Das ist der Ort, wo die Magie passiert.
1. Beinarbeit - der Pumptrack auf der Welle
In die Knie zu gehen, noch bevor man den Bottom Turn macht, ist der Schlüssel, um den Drive und den nötigen Speed mit dem Brett zu generieren. Denn das vorweg in die Knie Gehen ermöglicht es dir, die Beine während des Bottom- Turns immer mehr durchzustrecken, um damit stetig Druck auf das Rail auszuüben und Geschwindigkeit aufzubauen. Diesen Trick kann man für kraftvolle gecarvte Turns genauso gebrauchen wie für das Pumpen und das Surfen entlang des Wellenfaces. Es braucht ein wenig Gefühl und Erfahrung. Fehlt einem der Flow, dann kann es passieren, dass die Beine bereits durchgestreckt sind, noch bevor der Turn fertig ist. Das sind dann oft die Momente, wo man, trotz viel Vorlage und Anfangsgeschwindigkeit, oben an der Lippe verhungert. Den Drive mit dem Brett zu erzeugen, erlaubt es dir, nicht nur nah am Wellenface zu bleiben, sondern auch bei wenig Wind und wenig Druck im Segel auf Geschwindigkeit zu kommen.
Schau nach einer Welle, die am Ende deines Bottom Turns oder Wellenritts zumacht. Das ist der Ort, wo die Magie passiert
Um den Drive bzw. auch das Pumpen entlang des Wellenfaces mit dem Brett besser zu verstehen, hilft es an einen Pumptrack zu denken, bei dem du mit Pushbewegungen z.B. auf einem Fahrrad die Geschwindigkeit generieren kannst, ohne in die Pedale zu treten. Dabei macht man sich oben auf dem Hügel klein und leicht, um dann in der Abwärtsbewegung sich schwer zu machen und das Bike in die Senke zu pushen. Das gleiche gilt auch für die Kurve, bei der man sich anfangs klein macht, um sich während der Kurve immer mehr durchzustrecken. Hat man den Dreh raus, dann erfährt man durch diese Pushbewegung eine Beschleunigung, die einen mit höherer Geschwindigkeit aus der Kurve herauskommen lässt, als man reingegangen ist. Gleiches Prinzip, wenn auch nicht ganz so leicht, weil wir es nicht mit starrem Beton zu tun haben, gilt auch fürs Windsurfen oder Wellenreiten.
2. Drive aus dem Segel
Auch mit dem Segel kannst du den Drive erzeugen. Es gibt Wavesegel, die von Haus aus viel Drive mitbringen und einen mit Dampf durch den Turn ziehen (Im Test der Wavesegel könnt ihr entsprechende Modelle mit viel Drive finden). Solche Segel können am Anfang eine große Hilfe sein, aber es geht auch ohne solche. Damit das Segel richtig Zug entwickeln kann, mache im Bottom Turn den vorderen Arm lang. Je mehr du es schaffst, dabei mit dem Körper gleichzeitig in Vorlage zu gehen und das Segel in Fahrtrichtung zu kippen, desto größer wird der Zug im Segel. Bei wenig Wind hilft einer kleiner Trick: Greife mit der vorderen Hand weiter hinten in Richtung Trapeztampen. Dadurch bekommst du mehr Druck ins Segel.
3. Parallele Linie fahren
Wollten wir die Kurven nachzeichnen, die wir beim Wellenabreiten surfen, dann würden wir eine Sinuskurve sehen, die - je nachdem was wir machen wollen - unterschiedlich ausfällt. Der Trick, um den Aerial zu springen, ist der, dass man beim Abreiten nah an der Welle auf dem Wellenface bleibt. Darin liegt das ganze Geheimnis und der Schlüssel, den Aerial vor die Welle zu landen.
Die Sinuskurve, die wir dabei entlang des Wellenfaces zeichnen, ist flach und langgestreckt. Damit unterscheidet sich der Weg zum Aerial wesentlich von den gecarvten Power-Turns, bei denen wir weit ausholend das Wellenface verlassen, um dann möglichst vertikal die Welle wieder hochzusurfen. Mein Tipp: Versuche die flache Kurve auch bei kleinen Wellen zu fahren.
Der Aerial
Lars Petersen, einer der besten dänischen Wavesurfer, sagte einmal in seinen Lehrvideos: „It´s all about timing.“. Obwohl er damit mehr als Recht hat, möchte ich dir den Tipp geben, das Wort „Timing“ aus deinem Kopf zu streichen. Denn Timing beschreibt das Resultat und nicht das, was du als Ziel im Kopf haben musst. Denke stattdessen daran, mit der Welle einen „High Five“ machen zu wollen.
1. High Five mit der Welle
Der High Five ist ein Konzept, das Graham Ezzy entwickelt hat. Du reduzierst dabei nicht nur einen komplexen Bewegungsablauf auf eine simple Order, sondern du nimmst auch eine kleine Korrektur am Mindset vor, was aber bereits viel bewirken kann. Es ist ein wunderbarer Trick, um bereits gemachte Erfahrungen, selbst wenn diese nichts mit Surfen zu tun haben, auf Unbekanntes zu übertragen, um intuitiv zu wissen, worauf es ankommt. In dem Fall sorgst du mit dem Gedanken an einen High Five automatisch für die richtige Blickrichtung, Geschwindigkeit, Körperspannung und den richtigen Zeitpunkt. Kurzum, der High Five befreit dich von der Last vieler Anweisungen, die du sonst im Kopf haben müsstest, und das Tolle daran ist: Das Timing erfolgt daraus automatisch. Ich mag den Gedanken an einen High Five auch deshalb, weil es dieser Sache zusätzlich den Schrecken nimmt. Ein High Five hört sich viel freundlicher und machbarer an, als die Vorstellung, gerade dorthin zu gehen, wo die Welle mit ganzem Wumms Prügel verteilt.
Ziel ist es also, mit der Welle abzuklatschen, mit ihr einen High Five zu machen. Und das macht man mit der Unterseite des Brettes. Die hält man ihr in dem Moment entgegen, wo sie sich überschlagen möchte.
2. Körperspannung beim Takeoff
Von Manuel habe ich den Tipp bekommen, beim Aerial nicht an ein klassisches Abspringen zu denken, bei dem man aktiv abspringt und die Welle als Rampe benutzt, auch wenn der Bewegungsablauf derselbe ist. Hier hilft es daran zu denken, die Welle die Arbeit und den Pop machen zu lassen. Damit das funktioniert, spanne beim High Five alle Muskeln an und setzte ihr durch das Strecken der Beine eine Kraft entgegen. Je mehr du es dabei schaffst, ihr die Unterseite des Brettes entgegenzuhalten, desto besser kann sie ihre Arbeit machen, das heißt, all ihre Energie auf dich übertragen und dich in die Luft in Richtung Strand befördern.
Eventuell wirst du am Anfang die gleichen Probleme haben, wie ich sie hatte: Du bemühst dich, alles richtig zu machen, nur von einem Pop, geschweige denn von einem Aerial, ist nichts zu spüren. Das Brett klebt an der Welle. Oftmals liegt das an der fehlenden Geschwindigkeit oder daran, dass die Welle nicht steil genug ist.
Lass dich von der Welle ansaugen und ausspucken
Nicht selten liegt es aber auch an einem fehlenden Flow. Hier hilft der Trick, sich vorzustellen, sich von der Welle ansaugen und wieder ausspucken zu lassen. Wenn eine Welle kurz vor dem Brechen ist, dann befördert sie das Wasser von unten nach oben. Sie saugt das unter ihr liegende Wasser an, um sich dann zu überschlagen. Versuche diese Saugbewegung gedanklich mitzusurfen und den Shape der Welle mit der Unterseite deines Brettes zu erfassen. Lass dich also auf dem Weg zur Lippe ansaugen, gehe dabei mit den Beinen, die noch vom Botton Turn gestreckt sind, wieder in die Knie und lass dich oben dann mit einem High Five und wiederum gestreckten Beinen in Richtung Strand ausspucken.
3. Die Flugphase beim Aerial
Hat alles geklappt, dann bist du jetzt in der Luft und kannst dich wieder klein machen. Lass dabei das vordere Bein lang, während du das hintere zu dir ranziehst. Optimieren kannst du den Aerial, indem du dabei die Luvkante des Brettes anhebst, um Lift zu bekommen. In der Fotosequenz ist das nicht zu sehen, weil ich mit dem hinteren Bein das Brett etwas wegkicke. Auch das ist ok, Hauptsache in der Luft.
Tuning-Tipps fürs Material
Abschließend noch ein paar Tipps zum Material: Vielleicht wirst du merken, dass es am Anfang gerade bei Sideshore-Bedingungen und wenig Wind schwierig sein kann, entlang des Wellenfaces auf Geschwindigkeit zu kommen. Man ist da mehr oder weniger direkt auf dem Vorwindkurs und hat weniger Druck im Segel. Hier kann ein kleines Finnen-Tuning helfen, um über die ersten Hürden zu kommen. So kann ein Twinser-Setup oder eine Single-Fin viel bewirken, um das Brett freier zu bekommen und damit mehr Geschwindigkeit zu generieren. Bei einem Quad-Setup liegt das Brett satter im Wasser. Die Finnen haben aufgrund ihrer kleinen Größe wenig Lift und die Seitenfinnen sind zusätzlich leicht angestellt, was für gecarvte Turns sehr gut ist, auf der Geraden aber einen Bremsfaktor darstellen kann. Ein Kompromiss zwischen den Extremen einer Single-Fin und einem Quad-Setup ist das Thruster-Setup, das Drehfreudigkeit und Lift vereint. Steht dir nur das Quad-Setup zur Verfügung, dann kann es helfen, vor allen Dingen die Mittelfinnen weiter nach hinten zu schrauben. Das gleiche gilt auch für den Mastfuß. Ist dieser weiter nach hinten montiert, macht sich das Brett leichter frei und kommt schneller ins Gleiten.
Auch entsprechendes Segeltuning kann helfen, mehr Power und damit Speed fürs Wellenabreiten oder den Aerial zu generieren. Bietet das Segel etwa zwei Ösen am Schothorn, bietet die obere in der Regel mehr Drive.